Top-Manager treffen sich am 1. April in Moskau
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Strategietreffen der russischen Energie-Branche

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"Es riecht nach Armut": Zwingt der Ölpreis Putin zum Kompromiss?

"Es riecht nach Armut": Zwingt der Ölpreis Putin zum Kompromiss?

Während US-Präsident Donald Trump den Absturz der Ölpreise bejubelt, bereitet er dem Kreml Kopfzerbrechen: "Wir verfolgen die derzeit äußerst turbulente, angespannte und emotional fordernde Lage sehr genau." Putins Kriegshaushalt droht die Pleite.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Die Zinsen sinken, die Ölpreise fallen, die Deregulierung schreitet voran. Präsident Trump wird nicht nachgeben", triumphierte der US-Präsident auf seinem Kanal bei "Truth Social" (externer Link). Demnach lässt sich Trump vom globalen Börsenbeben nicht von seinem Kurs abbringen.

Im Kreml sorgt das für erhebliches Stirnrunzeln, hängt der russische Staatshaushalt und damit die Kriegsfinanzierung doch ganz erheblich vom Ölpreis ab, wie Putins Sprecher Dmitri Peskow einräumte (externer Link): "Das ist ein Indikator, der für die Wiederauffüllung unseres Haushalts sehr wichtig ist. Wir verfolgen die derzeit äußerst turbulente, angespannte und emotional fordernde Lage sehr genau."

"Zuversicht wird bald nicht mehr bestehen"

Der Preis für Ural-Öl nähert sich der als "kritisch" eingeschätzten Marke von 50 US-Dollar pro Barrel: "Die Einführung neuer Sanktionen gegen russisches Öl könnte die Lage des Bundeshaushalts drastisch verschlechtern, was zu einer Erhöhung der Steuern und Abgaben der Bevölkerung, aller Arten von staatlichen Zöllen, einer Kürzung der Sozialausgaben usw. führen würde", sagt einer der russischen Polit-Blogger voraus (externer Link).

Es rieche in Russland bereits nach Armut: "Aber es gibt auch einen positiven Aspekt: ​​Wenn der Kreml jetzt noch zuversichtlich sein mag, dass seine wirtschaftlichen Ressourcen ausreichen, um den Krieg mehr oder weniger komfortabel fortzusetzen, dann wird diese Zuversicht in ein oder zwei Quartalen nicht mehr bestehen."

Experte: "Es gibt fast kein Öl mehr"

Ölmarkt-Experte Wjatscheslaw Schirjajew argumentierte (externer Link) der stark rückläufige Ölpreis sei nicht einmal das größte Problem. Schlimmer sei, dass Russland darauf nicht mit einer erhöhten Förderung reagieren könne: "Tatsache ist, dass es in den Feldern, die das Land 'ernähren', fast kein Öl mehr gibt." Um noch ein paar Tropfen herauszupressen, müsse "horizontal gebohrt" und mit Fracking-Technik gearbeitet werden, was deutlich kostspieliger sei. Fatal sei obendrein, dass die gesamte moderne Ausrüstung für das Fracking in Ländern hergestellt werde, die Russland boykottierten.

"Ohne Öl löst sich Stabilität auf"

Die "Öl-Großmacht" Russland sei "am Rande der Erschöpfung", urteilte einer der tonangebenden Polit-Blogger mit 161.000 Fans (externer Link): "Alte Lagerstätten gehen zur Neige, neue sind technologisch unerreichbar. Eigenhändig und unter dem Deckmantel der 'Importsubstitution' führt die Regierung die Ölindustrie in eine langwierige Strukturkrise. Und ohne Öl löst sich jede 'Stabilität' in Rauch auf."

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BR24

Das russische Finanzministerium will ab sofort täglich Devisen im Wert von umgerechnet etwa 100 Millionen Euro verkaufen, um die Haushaltslücke zu stopfen, aber das werde nicht reichen, urteilten Beobachter.

"Geduld für Wochen, nicht Monate"

Der als "ausländische Agent" gebrandmarkte Politologe Wladislaw Inosemzew (externer Link) verwies darauf, dass neue Ölprojekte, etwa in der Arktis, durch den Preisverfall sinnlos geworden seien: "Wir haben in den vergangenen Jahren oft betont, dass die russische Wirtschaft den beispiellosen Sanktionen und schwierigen Herausforderungen standgehalten hat, und das stimmt. Allerdings bedeutet die Tatsache, dass sie gerettet werden konnte, nicht, dass sie für die Außenwelt wesentlich interessanter geworden wäre."

Russland habe seine wirtschaftliche Eigenständigkeit in einem solchen Ausmaß verloren, dass es zu einem "Anhängsel Chinas" herabgesunken sei, was den USA nicht verborgen geblieben sei. Putin sei daher zum baldigen Waffenstillstand gezwungen: "Und die 'Partner' haben noch ausreichend Geduld für Wochen, aber nicht für Monate."

"Lasst die Weltordnung zusammenbrechen!"

Immerhin: Seit der Preis für russisches Öl unter 60 US-Dollar pro Barrel gesunken ist, die sanktionsbedingte Obergrenze der G7-Staaten, könne wieder legal und ohne "Schattenflotte" exportiert werden, meint einer der Kommentatoren (externer Link). Allerdings fehlten Putin damit Milliarden im Haushalt: "Der Sturm, der sich auf den Weltmärkten zusammenbraut und immer heftiger wird, zwingt den Kreml nun erneut dazu, nach Auswegen aus dem zermürbenden Krieg zu suchen."

Das Fazit des Kreml-Propagandisten Sergei Markow (externer Link): "Lasst den Sturm stärker wüten! Die moderne Weltwirtschaftsordnung wurde vom Westen errichtet und der Westen versucht, Russland zu isolieren und diese Weltordnung gegen Russland einzusetzen. Also lasst diese Weltordnung zusammenbrechen! Damit wird die Dominanz des Westens zusammenbrechen. Viele Menschen in Russland denken so."

Ein russischer Leser beließ es bei einem Nietzsche-Zitat (externer Link): "Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er dabei nicht [selbst] zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein."

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