Am Anfang war der Sturz. Mitten auf der Bühne steht eine Treppe, von der Bonifazius Bengele runterfallen wird. Was für ihn den Anfang seines Ablebens einläutet, ist für das Publikum der Beginn eines Theaterabends, der noch nachhallen wird.
Alter weißer Patriarch
Bonifazius Bengele ist ein alter, konservativer Brauereibesitzer, dessen Verständnis der Welt sich nach seinem Unfall verändert bzw. verändern muss. Denn viele Verhältnisse, die er durch seine Privilegien als selbstverständlich angesehen hat, kommen jetzt ins bröckeln. Die Münchner Autorin Nora Schüssler hat das Stück geschrieben. In der Figur des Bonifazius Bengeles spiegelt sie unser heutiges Verständnis eines alten weißen Mannes wieder, sagt sie :"Es geht um Macht und es geht darum, was macht Macht mit den Menschen? Und was passiert, wenn diese Menschen die Macht verlieren? Und tatsächlich ist es ja so, dass der weiße alte Mann auch in unserer Gesellschaft immer noch die Macht hat."
Kein Platz fürs Zwischenmenschliche
Bonifazius Bengele hat als Familienoberhaupt und Leiter der Brauerei viel Macht. Und den Glauben, dass diese Strukturen niemals ins Wanken geraten werden. Aber der Unfall ändert das. Da ist die Tochter, die die Brauerei nicht übernehmen will und schwanger wird. Sein alkoholkranker Sohn. Und seine Frau, die gern Volleyball spielt und ganz eigene Vorstellungen von ihrem Leben hat. In keinen der drei Lebensentwürfe passt ein pflegebedürftiger Mann und Vater. Wer leistet schon freiwillig Care-Arbeit?
Wie funktionieren Beziehungen in einer kapitalistischen und patriarchalen Gesellschaft? Wo bleibt das Zwischenmenschliche? Das versucht „Ende in Lachen“ aufzudröseln, anhand eines konkreten Familien-Beispiels. Beziehungen stehen nicht mehr im Vordergrund. Wer alt ist oder nicht mehr kann, wird zur Seite geschoben. Schließlich muss man selber im System funktionieren. Das Leben muss weitergehen. So beschreibt es die Autorin Nora Schüssler: "Ich wollte auf gar keinen Fall ein didaktisches Stück schreiben oder ein Stück mit moralisch erhobenem Zeigefinger. So von wegen 'Wir gehen so schlecht mit den Menschen um, die wir pflegen müssen.' Weil ja, das tun wir und wir wissen es alle und tun es trotzdem. Deswegen fand ich viel interessanter zu fragen: „Warum tun wir es denn?“ Und ich glaube wir tun es, weil das systemimmanent ist."
Die Perspektive der Autorin
Nora Schüssler hat sich in ihren Texten immer schon von ihrer Lebenssituation beeinflussen lassen. Dabei immer der Frage nachgehend: Wie wollen wir leben? Zu Beginn ihres Schreibens aus der Perspektive einer 20-Jährigen Heranwachsenden. Heute aus Sicht einer zweifachen Mutter, die sich mit Themen wie Care-Arbeit und dem Frausein im Patriarchat auseinandersetzt.
Als sie die Anfrage aus dem Landestheater Schwaben für ein neues Theaterstück mit lokalem Bezug erreichte, fiel ihre Entscheidung nach einigen Recherchen auf eine Unternehmerfamilie: "Mir ist aufgefallen, dass gerade so eine Region sehr stark von ihren kleinen, regionalen Unternehmen geprägt wird. Und die arbeiten ganz stark mit der Identität der Allgäuer. So bin ich darauf gekommen, dass Setting in meinem Stück über eine Brauereifamilie zu schreiben."
Passend zum satirischen Stück spielt die Geschichte in Lachen, einer Gemeinde im Landkreis Unterallgäu. Natürlich kein Zufall. Es darf freilich auch gelacht werden. Aber eigentlich ist das Ganze eine bierernste Angelegenheit.
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"Ende in Lachen" läuft ab dem 27.1 im Landestheater Schwaben.
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