Papst Benedikt XVI. trägt einen Panamahut bei einem Besuch in Altötting im Jahr 2006
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Papst Benedikt XVI. trägt einen Panamahut bei einem Besuch in Altötting im Jahr 2006

    Papst Benedikt: Chronologie einer Kirchen-Karriere

    Fast acht Jahre führte Papst Benedikt XVI. die katholische Kirche, bevor er von diesem Amt freiwillig zurücktrat. Der im bayerischen Marktl geborene Joseph Ratzinger wusste schon früh: "Ich werde mal Kardinal". Die Chronologie einer Kirchen-Karriere.

    "Das Leben ist nicht bloß eine Abfolge von Ereignissen oder Erfahrungen (...) Es ist ein Suchen nach der Wahrheit, dem Guten und dem Schönen." So begrüßte Papst Benedikt XVI. die jungen Gäste beim Weltjugendtag 2008 in Australien. Der in Marktl am Inn geborene Joseph Aloisius Ratzinger hat in seinem Leben viele Stationen durchlaufen. Als Mensch, Theologie-Professor, oberster Glaubenshüter und Papst hat er unzählige Male nach der Wahrheit gesucht und um sie gerungen. Gerade beim Thema Missbrauch und seiner Rolle, die er dabei als Erzbischof von München und Freising spielte, wurde ihm aber nicht zuletzt von Juristen vorgeworfen, nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Lesen Sie hier die Chronologie einer ungewöhnlichen Kirchen-Karriere.

    Joseph Ratzinger erblickt in Bayern das Licht der Welt

      • 16. April 1927: Joseph Aloisius Ratzinger wird im bayerischen Marktl am Inn geboren als Sohn eines Polizisten und einer früheren Köchin.
      • 1945: Gegen Kriegsende wird er als Flakhelfer eingezogen.
      • 1946: Ratzinger beginnt sein Studium der Philosophie und Theologie in Freising und München.
      • 29. Juni 1951: Er wird zusammen mit seinem Bruder Georg im Freisinger Dom zum Priester geweiht.
      • 1953: Dozent für Dogmatik und Fundamentaltheologie in Freising. Dissertation über das Thema "Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche".
      • 1957: Habilitation in München über "Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura".
      • ab 1959: Professor in Bonn (1959-1963), Münster (1963-1966), Tübingen (1966-1969) und Regensburg (1969-1977).
      • 1962-1965: Beim Zweiten Vatikanischen Konzil ist Ratzinger theologischer Berater des Kölner Kardinals Josef Frings; er prägt zentrale Konzilsdokumente mit. Später wichtige Ämter in der Deutschen Bischofskonferenz und der Internationalen Theologenkommission im Vatikan.

    Joseph Ratzinger wird Erzbischof von München-Freising

      • 25. März 1977: Papst Paul VI. ernennt Ratzinger zum Erzbischof von München und Freising. Am 27. Juni wird er zum Kardinal erhoben.
      • 25. November 1981: Johannes Paul II. betraut ihn im November mit der Leitung der Römischen Glaubenskongregation, durch die er sich den Ruf eines strengen Glaubenswächters und insbesondere in Deutschland auch den eines Hardliners erwirbt. Ratzinger wird auch Präsident der Päpstlichen Bibelkommission und der Internationalen Theologenkommission.
      • 1982: Verzicht auf die Leitung des Erzbistums München und Freising.
      • 1983-1986: Für Aufsehen sorgen die Auseinandersetzungen mit der Befreiungstheologie. 1986 erscheint die Vatikan-Instruktion über Freiheit und Befreiung, die die Wogen glättet und den Weg zu einer nicht-marxistisch orientierten Befreiungstheologie ebnet.
      • 1992: Vorstellung des neuen Weltkatechismus der katholischen Kirche, der seit 1986 unter Ratzingers theologischer Ägide erarbeitet wurde.
      • 2000: Die von Ratzinger verfasste Erklärung "Dominus Iesus", in der er die Einzigartigkeit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und die besondere Stellung der katholischen Kirche betont, sorgt weltweit für Debatten.
      • 2001: Ratzinger wird Amtsmüdigkeit nachgesagt. Das Leben eines Kirchenmanns in leitender Stellung sei sehr hart, sagt er im September 2001. Er sehne daher die Zeit herbei, "in der ich noch einige Bücher schreiben kann". Dennoch bleibt er auf Bitten Johannes Pauls II. im Amt.
      • 30. November 2002: Mit der Ernennung zum Vorsitzenden des Kardinalskollegiums wird Ratzinger zum wichtigsten Mann bei der nächsten Papstwahl.

    Kardinal Ratzinger wird Papst Benedikt XVI.

      • 19. April 2005: Joseph Kardinal Ratzinger wird zum neuen Papst gewählt und gibt sich den Namen Benedikt XVI. Fünf Tage später wird er in sein Amt eingeführt. Sein Vorgänger Johannes Paul II. war am 2. April im Alter von 84 Jahren gestorben.
      • 6. Juni 2005: Benedikt verurteilt bei einem Konvent über die Rolle der Familie in Rom moderne Formen des Zusammenlebens, gleichgeschlechtliche Beziehungen und Abtreibungen scharf.
      • August 2005: Benedikt besucht den Weltjugendtag in Köln.
      • 31. August 2005: Der Papst segnet ein Dokument ab, das Priesterseminare verpflichtet, Männer mit "homosexuellen Tendenzen" nicht mehr zur Priesterweihe zuzulassen.
      • 25. Januar 2006: Benedikt XVI. betont in seiner ersten Enzyklika "Deus Caritas est" (Gott ist Liebe) die untrennbare Verbindung von Gottes- und Nächstenliebe.
      • 28. Mai 2006: Im ehemaligen deutschen Vernichtungslager Auschwitz ruft der Papst zu Versöhnung und Vergebung auf.

    Papst Benedikt XVI. auf Pastoralreise in Bayern

      • Vom 09. bis 14. September 2006 kommt Benedikt XVI. zu einer Pastoralreise nach Bayern. Seine Stationen sind München - Altötting - Marktl - Regensburg - Freising. Er feiert mehrere Messen, an denen teils mehr als hunderttausend Gläubige teilnehmen.
      • 12. September 2006: Während seiner Bayernreise zitiert Benedikt bei einer Vorlesung in Regensburg einen byzantinischen Kaiser, Mohammed habe nur "Schlechtes und Inhumanes" gebracht, weil er den Glauben mit dem Schwert verbreiten lassen wollte. Die Äußerungen lösen in der islamischen Welt gewalttätige Proteste aus.
      • November 2006: Der Papst reist in die Türkei. Es ist sein erster Besuch in einem islamischen Land.
      • 13. März 2007: Benedikt erteilt im Apostolischen Schreiben "Sacramentum Caritatis" (Sakrament der Liebe) einem gemeinsamen Abendmahl von Katholiken und Protestanten eine klare Absage.
      • 7. Juli 2007: Benedikt rehabilitiert weitgehend die traditionelle Messe in lateinischer Sprache.
      • 10. Juli 2007: In einem vom Papst genehmigten Schreiben der Glaubenskongregation wird protestantischen Gemeinschaften das Recht abgesprochen, sich als "Kirche" zu bezeichnen.

    Benedikt hebt Exkommunikation von Piusbrüdern auf

      • 30. November 2007: In seiner zweiten Enzyklika "Spe salvi" (Auf Hoffnung hin gerettet) kritisiert Benedikt den technischen Fortschrittsglauben und materialistische Weltanschauungen.
      • 6. März 2008: Der Papst empfängt erstmals das Oberhaupt der orthodoxen Christen, Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel.
      • 24. Januar 2009: Benedikt macht die Exkommunikation aller vier Bischöfe der Pius-Priesterbruderschaft rückgängig. Unter ihnen ist der Holocaust-Leugner Richard Williamson. Die Entscheidung des Papstes provoziert eine Welle der Kritik.
      • Mai 2009: Benedikt besucht Jordanien, Israel und die palästinensischen Gebiete. In seiner Rede in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geht er nicht auf die Rolle der Kirche bei der Judenvernichtung ein.
      • 7. Juli 2009: In seiner ersten Sozialenzyklika "Caritas in veritate" (Die Liebe in der Wahrheit) fordert der Papst ein ethisches Bewusstsein in der Wirtschafts- und Finanzwelt.

    Papst bittet Missbrauchs-Opfer um Vergebung

      • 11. Juni 2010: Bei einer Messe auf dem Petersplatz bittet der Papst die Opfer von sexuellem Missbrauch öffentlich um Vergebung. Zuvor hatte er bereits in einem Hirtenbrief an die katholische Kirche in Irland die dortigen Missbrauchsfälle bedauert.
      • September 2011: Sein Deutschland-Besuch führt den Papst nach Berlin, Thüringen und Freiburg.
      • 28. März 2012: Im kommunistischen Kuba trifft Benedikt den früheren Staatschef Fidel Castro. In einer Messe verlangt er volle Religionsfreiheit und die Anerkennung der katholischen Kirche in dem Inselstaat.
      • 23. Dezember 2012: Der Papst begnadigt seinen Ex-Kammerdiener Paolo Gabriele. Zuvor war dieser im Zuge der "Vatileaks"-Affäre wegen der Weitergabe vertraulicher Papiere zu einer Haftstrafe verurteilt worden.
      • 11. Februar 2013: Benedikt kündigt seinen Rücktritt zum 28. Februar an. Er verweist dabei unter anderem auf sein fortgeschrittenes Alter.
      • 25. Februar 2013: In einem Apostolischen Schreiben (Motu proprio) legt Benedikt XVI. fest, dass das Konklave zur Wahl seines Nachfolgers früher beginnen kann. Bislang war geregelt, dass das Konklave frühestens 15 Tage nach Eintritt der Sedisvakanz ("leerer Stuhl Petri") startet.
      • 27. Februar 2013: Letzte Generalaudienz, die wegen des großen Interesses auf den Petersplatz verlegt wird.

    Papst Benedikt tritt als Oberhaupt der katholischen Kirche zurück

      • 28. Februar 2013: Der Papst legt sein Amt nach sieben Jahren, zehn Monaten und neun Tagen nieder. In den Wochen vor und nach dem Konklave hält er sich in Castel Gandolfo auf.
      • 2. Mai 2013: Benedikt XVI. bezieht das ehemalige Kloster "Mater Ecclesiae" in den vatikanischen Gärten. Dort führt er ein eher zurückgezogenes Leben.
      • 2016 erscheint ein Buch des emeritierten Papstes mit dem Titel "Letzte Gespräche", in dem er ein Resümee seiner Amtszeit zieht.
      • April 2019: Nach der Anti-Missbrauchskonferenz im Vatikan meldet sich Benedikt in einem Artikel im Bayerischen Klerusblatt zu Wort. Der emeritierte Papst stellt unter anderem die These auf, dass die Lockerung der Moral durch die 68er in Wahrheit für die vielen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche mitverantwortlich sei.
      • Januar 2020: In einem Beitrag für ein Buch des erzkonservativen Kardinals Robert Sarah warnt Benedikt vehement vor einer Lockerung des priesterlichen Eheverbots. Der Zeitpunkt ist brisant, denn das Buch erscheint, kurz bevor Papst Franziskus zum Thema einen Text veröffentlicht. Ein Affront. Benedikt distanziert sich wenig später von dem Buch, will nicht als Co-Autor genannt werden und auch nicht mehr auf dem Cover erscheinen.
      • 18. Juni 2020: Der emeritierte Papst kommt mit dem Flugzeug für fünf Tage nach Bayern, um seinen schwer erkrankten Bruder Georg in Regensburg zu besuchen. Seit dem Rücktritt war Benedikt nicht mehr in seiner Heimat Bayern. Eine Woche nach dem Besuch stirbt der ehemalige Domkapellmeister.
      • 20. Januar 2022: In der Erzdiözese München und Freising wird ein Missbrauchsgutachten vorgestellt, das den Zeitraum von 1945 bis 2019 beleuchtet. Besonders im Fokus: Die frühen 1980er Jahre, in denen Ratzinger Erzbischof in München war. Es geht um den Fall des Priesters H. aus Essen. Dieser hatte bereits in seiner dortigen Diözese Kinder missbraucht und wurde daher nach München versetzt. Der emeritierte Papst bestreitet in einer 82-seitigen Stellungnahme zuerst, bei einer Sitzung, in der es um die Versetzung von H. ging, anwesend gewesen zu sein. Später muss er - aufgrund vorliegender Fakten - einräumen, doch anwesend gewesen zu sein. Er spricht von einem Fehler, den einer seiner Helfer bei der Stellungnahme gemacht habe. Doch in Teilen der Öffentlichkeit bleibt die Glaubwürdigkeit des Ex-Papstes angeschlagen.

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