Pater Nikodemus in Jerusalem
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Pater Nikodemus

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Ein deutscher Abt in Jerusalem: Nikodemus Schnabel

Der Benediktiner Nikodemus Schnabel wird Abt der Dormitio, eines deutschen Klosters in Jerusalem. Dass Extremisten in Israel mittlerweile in der Regierung sitzen, bereitet ihm Sorgen. Auf sein Kloster wurde bereits ein Brandanschlag verübt.

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Im Februar ist Nikodemus Schnabel zum Abt der Dormitio gewählt worden.

Das Zeichen, dass ihn als Abt ausweist, trägt Nikodemus Schnabel schon. Auf der Brust, über seiner schwarzen Mönchskleidung als Benediktiner hängt ein goldenes Kreuz. An diesem Sonntag wird er feierlich in sein neues Amt eingeführt. Doch Abt ist er eigentlich schon seit Februar, seit seiner Wahl durch seine Mitbrüder.

Dormitio von Kaiser Wilhelm II. in Israel gegründet

Das Kloster, dem er vorsteht, ist ein besonderer Ort: Die Dormitio, eine deutsche Benediktiner-Abtei, liegt am Rande der Altstadt von Jerusalem - im Niemandsland zwischen Isreal und dem besetzten Ostjerusalem. Ihre wuchtige Architektur verdankt sie Ihrem Bauherrn: Kaiser Wilhelm II. wollte Ende des 19. Jahrhunderts, dass in Jerusalem ein deutsches Kloster steht. Für Nikodemus Schnabel, den neuen Abt, ist das Kloster heute ein Beleg für die ganz besonderen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel.

"Da war ja auch dieser berühmte Satz von Angela Merkel, die Sicherheit Israels ist Staatsräson Deutschlands. Das ist ja alles richtig und gut. Aber ich finde, es wäre traurig, wenn diese deutsch-israelische Beziehung sich erschöpfen würde in sicherheitspolitischen, militärstrategischen Überlegungen", sagt Nikodemus Schnabel. "Deutschland ist eben auch eine große Kulturnation, und Israel auch. Und ich finde es wirklich schön, dass die Bundesrepublik Deutschland sagt: Wir bekennen uns auch zu diesem speziellen deutschen Ort hier in Jerusalem."

In Isreal: "Die Extremisten sitzen in der Regierung."

Dieses Bekenntnis drückt sich auch durch viel Geld für die Sanierung der Dormitio durch den Bund aus. Die Bauarbeiten, die demnächst abgeschlossen sein werden, standen sogar im Koalitionsvertrag von 2018 - auch dank der Lobbyarbeit von Nikodemus Schnabel für sein Kloster. An der Abtei Dormitio zeigt sich aber auch, dass das Klima in Jerusalem rauer geworden ist. Immer wieder gibt es Übergriffe auf christliche Einrichtungen von jüdischen Extremisten.

Gleich neben dem Benediktinerkloster treffen sie sich oft am Wochenende: "Die Extremisten sitzen in der Regierung", sagt Nikodemus Schnabel. "Wir wissen schon: Samstagabend bedeutet Stress. Ein offen gezeigter Christenhass. Es ist oft auch so, wenn ich gerade hier vor die Tür gehe, dass ich angespuckt und verbal angegangen werde", berichtet Nikodemus Schnabel. Er könne das einordnen, sagt er, das sei nicht Israel und es seien auch nicht "die Juden" oder die "israelische Gesellschaft". Es gebe viele wunderbare Menschen, die solidarisch zu ihnen stehen. Trotzdem habe sich in den vergangenen Jahren viel verändert: "Früher konnte ich sagen: Okay, das sind Extremisten, das ist eine kleine extremistische Minderheit. Nur jetzt sitzen die eben mit in der Regierung."

Brandanschlag und Hass-Graffiti auf Kloster

Als Beispiel dafür nennt er auch sein Kloster, das noch eine Außenstelle im Norden am See Genezaret hat. Dort wo laut der Bibel das Wunder von der Brotvermehrung geschah, gab es 2015 ein verherendes Feuer. "Es war wirklich ein furchtbarer Brandanschlag mit Hass-Graffitis. Die Brandstifter wurden zwar gefasst und vor Gericht gestellt. Verteidigt wurden sie damals von Ben Gvir, dem jetzigen Minister für nationale Sicherheit in Israel. Für Nikodemus Schnabel ist das beunruhigend.

Der neue Abt der Jerusalemer Dormitio ist ein politisch denkender Kopf. Ein Jahr lang hat er im Auswärtigen Amt in Berlin im Referat "Religion und Außenpolitik" gearbeitet. Auch mit dieser Erfahrung wünscht er sich mehr Klarheit von der Bundesregierung mit Blick auf die derzeitige politische Lage in Israel: "Da erhoffe ich mir gerade von der Bundesrepublik Deutschland außenpolitisch auch mehr Kante. Und, dass die Bundesrepublik Deutschland, ihre Repräsentanten mit der derzeitigen israelischen Regierung keine Werte teilt. Ich hoffe doch, dass die Werte, für die wir stehen, vor allem die sind, die gerade von der israelischen Zivilgesellschaft auf der Straße verteidigt werden", hofft Nikodemus Schnabel.

Isreal: Demonstranten gehen gegen Justizreform auf die Straße

Die Demonstrierenden, die seit Wochen in Israel gegen die Regierung und die umstrittene Justizreform auf die Straße gehen, haben dagegen wenig mit dem Thema Religion am Hut. Auch beim großen Thema, dem Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, kommt für Nikodemus Schnabel die Rolle der Religionen zu kurz. Ihn stört, dass in der Berichterstattung zu viel auf die religiösen Extremisten geschaut wird und zu wenig auf die, die Teil einer Lösung sein könnten: "Ich habe den Eindruck, dass der Faktor Religion unterschätzt wird in der politischen Analyse. Religion kann toxisch sein, wenn man die Hooligans der Religion anschaut", sagt der Abt. "Aber Religion kann auch konstruktiv wirken. Und ich würde mich freuen, wenn die Politik auch die Religion stärker in die Pflicht nimmt, ihre Gesellschaftsverantwortung wahrzunehmen."

Bis jetzt war Nikodemus Schnabel als einer der Stellvertreter des Lateinischen Partriarchen von Jerusalem zuständig für Flüchtlinge und Migranten im Heiligen Land. Bisher hat er sich um rund 100.000 Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen gekümmert. Jetzt steht er einer eher kleinen Klostergemeinschaft vor. Und doch wird es sicher nicht ruhiger: "Diese Stadt ist wirklich intensiv. Ich komme einfach nicht los von dieser Stadt, auch, wenn ich Fluchttendenzen habe, ich kann ihr nicht entfliehen. Sie hat mich einfach verzaubert, aber manchmal ist’s auch superanstrengend mit ihr."

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