Der Film "Seaside Special", der bei den Hofer Filmtage Weltpremiere hatte, kommt nun ins Kino. Regisseur Jens Meurer porträtiert die Menschen des Küstenortes Cromer in ihrer sophisticated britishness und zeigt die Gräben, die durch den Brexit bis in das Ensemble hinein entstanden sind.
Der Moderator Olly Day, Host der Show, führt mit Witz und Leidenschaft durchs Programm. Es wird gezaubert und getrickst, es gibt mitreißende Musicalnummern und eine Unmenge locker eingestreuter Gags. Dazu viele Begegnungen mit den Menschen, die in Cromer leben.
Sehr britisch, aber mit Blick in Richtung Europa
Der Fischer John Lee, ein launiger Brexit-Befürworter, rühmt die ziemlich einzigartige Seebrücke von Cromer, meint aber, der Pier würde die Stadt im Unterhalt auch ein Vermögen kosten. Andererseits kämen die Touristen in Scharen – und das eben wegen der Show.
Jeden Sommer gibt es drei Monate lang zwei Aufführungen pro Tag, die meisten ausverkauft. Nicht wenige Besucherinnen und Besucher kommen sechs, sieben Mal. Alle in Cromer seien sehr sehr britisch, erklärt der Conferencier mit ironischem Unterton, andererseits rage der Pier ins Meer hinaus Richtung Europa – und das Varieté sei damit dem Kontinent durchaus nahe.
Der Brexit spaltet – auch in Cromer
Die vergnügliche Show bezaubert auf alle Fälle durch ihren Retrocharme – entsprechend hat Regisseur Jens Meurer sein sehenswertes "Seaside Special" analog auf 16mm-Film gedreht. Über Monate wird während der Probenphase im Frühjahr komponiert und geübt. Jens Meurer spricht mit den Akteuren der Show über deren Hoffnungen und Ängste, und er zeigt, mit wie viel Herzblut sie dabei sind.
The show must go on!
Der Premiere der Show, die Meurer durch seine britischen Schwiegereltern kennenlernte, fiebern im Ort dann trotzdem alle irgendwie zusammen entgegen. Das filmt und montiert Meurer so beseelt und mit viel Atmosphäre im Sinne eines Gemeinschaftsgefühls, dass man sich als Zuschauer bald vorstellen kann, selbst einmal nach Cromer zu reisen – in eine Stadt, die mit ihren Pubs, Läden und eben der Seebrücke zwar in die Jahre gekommen scheint, aber trotzdem bezaubernd wirkt.
Der Dokumentarfilm "Seaside Special" endet mit der Closing Night, der letzten Aufführung des Sommers. Viele der Comedians, Sänger und Tänzer wissen nicht, ob sie nächstes Jahr wieder dabei sein und erneut engagiert werden. Ein Hauch von Melancholie liegt über dem Pier, aber klar ist: The show must go on!
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