Ein Modell des Disney-Schlosses vor der Kulisse eines tiefblauen Nachthimmels, davor ein kleines Kind mit Micky Maus in den Händen
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Disney-Magie in München: Das berühmte Schloss in der Ausstellung "Disney100"

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Disney wird 100: So ist die Ausstellung in München

Von Micky Maus zum Blockbuster-Franchise-Megakonzern: Heute feiert Disney offiziell seinen 100. Geburtstag. Gründer Walt Disney ließ sich auch von Schloss Neuschwanstein inspirieren. In München ist jetzt die Ausstellung "Disney100" zu sehen.

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Eine schwarze Katze auf weißem Grund, der Körper nicht mehr als ein paar dicke schwarze Striche, ohne jede Tiefenwirkung, doch die Katze bewegt sich, ihr Schwanz biegt sich zu rechtwinkligen Zacken und wird zur Treppe – und herauf spaziert: Alice alias Virginia Davis, denn Alice ist ein echtes Mädchen. Der Vertrag zur Animationsserie "Alice Comedies" von 1923 markiert den Grundstein für ein bis heute erfolgreiches Filmunternehmen. Schon damals geht Gründer Walt Disney neue Wege: Seine Kombination aus Animation und Realfilm sorgt für einen ganz neuen visuellen Effekt, die 5-Jährige dient dabei als Identifikationsfigur.

Und so geht es letztlich die folgenden 100 Jahre weiter: Disney ist Film für Film technisch immer auf der Höhe der Zeit und bietet Figuren mit fein ausgearbeiteten Charakteren. Das zeigt die Ausstellung "Disney100" in München anhand von Charakter-Studien und Skizzen, aufwendigen Pastellzeichnungen und Aquarellen für die Settings bis zu kompletten Storyboards, die die Reihenfolge der einzelnen Szenen festlegen. Dazu kommen Filmausschnitte, Fotos, historische Fernsehfilme über Disney mit Interviews der Mitarbeiter sowie Hörstationen für die Musik.

Offen für technische Neuerungen

"Walt Disney hatte ein untrügliches Gespür dafür, was das Publikum sehen will", sagt Becky Cline, Direktorin der Walt-Disney-Archive. "Inspiration zu seinen Figuren schöpfte er aus Märchen und Legenden von überall auf der Welt. Doch Disney formte die Vorlagen manchmal sehr stark um, es ist immer die Walt-Disney-Version von Schneewittchen oder von Peter Pan. Er war sehr neugierig und immer bereit, technisch Neues auszuprobieren."

Mögen die Storys insgesamt auch berechenbar und der Zeichenstil oft sehr ähnlich sein: Bis heute bietet die Walt Disney Company meist gut erzählte, eindringliche Geschichten voller warmherziger Figuren, die die unterschiedlichsten Abenteuer zu meistern haben. Viele der alten Klassiker sind in den letzten Jahren erneut erschienen, jetzt als Realverfilmung.

Die reale Welt war schon für Gründervater Walt Disney ein wichtiger Referenzpunkt. Schloss Neuschwanstein etwa diente als Modell für die Schlösser von Cinderella und Dornröschen, und für "Schneewittchen und die Sieben Zwerge" wurden gar Schauspieler in Kostümen bei bestimmten Szenen gefilmt – als Vorlage für die Zeichner.

Aschenputtel, Pinocchio: Viele Original-Requisiten

Disney mag das Königreich der Fantasie und Imagination und der virtuellen Welt sein, die Ausstellung zum Jubiläum setzt aber doch ganz auf die Aura des Originals. Da ist der Kompass von Jack Sparrow aus "Fluch der Karibik" zu sehen – mehrfach berührt von Johnny Depp! Dazu kommen Aschenputtels Glasschuh, die originale Pinocchio-Puppe von 1940 oder das Karussellpferd aus "Mary Poppins".

"Man sollte nicht vergessen, dass Walt Disney der erste war, der Natur- und Tierdokumentationen produzierte", sagt Ausstellungsmacherin Becky Cline. "Das macht Disney bis heute – und man sieht daran das Interesse Walt Disneys an der realen Welt".

Eine Werbeveranstaltung von Disney für Disney

Kurzum: Es gibt in dieser Ausstellung viel zu sehen und zu entdecken. Aber für eine Firma, die sehr genau weiß, wie wichtig der präzise Einsatz von Musik ist, ist die Kakophonie aus verschiedenen simultan ertönenden Ausstellungsmusiken doch erstaunlich, zumal wenn man sich dazu auf einem Ohr englischsprachige Interviews mit dem Sound der 50er-Jahre anhören soll. Kernkompetenz Storytelling? Davon merkt man bei den Wand- und Katalogtexten nichts: schlecht übersetzt, inhaltlich nichtssagend und grammatikalisch oft falsch, dazu in einem unerträglichen Marketing-Sprech gehalten.

Animationen von Disney sind unübertroffen, wenn es um Allegorien geht, in denen nichtmenschliche Charaktere – Mäuse, Teekessel oder Schneemänner – uns bei der Hand nehmen und zeigen, was Menschsein heißt. Es ist ein Rollenspiel für die Seele. Und es grenzt an Magie, wenn diese Charaktere lebendig werden. Sie werden zu lieben Freunden, die in unserer Seele wohnen, die immer bei uns sind und uns darin bestätigen, dass unser Leben einen Sinn hat. – Katalogtext der Ausstellung Disney100

Klar: Es geht bei "Disney100" um eine Event-Ausstellung für die ganze Familie – und nicht um eine wissenschaftliche Aufarbeitung mit kulturhistorischem Anspruch. Aber der Mangel an tiefgreifenden Informationen ist hier und da doch erstaunlich. Wie genau im Jahr 2023 ein Animationsfilm entsteht, hat man am Ende der Ausstellung jedenfalls nicht erfahren. Stattdessen nehmen die Realverfilmungen der letzten Jahre viel Raum ein. Wen wundert's: Disney100 ist eine Werbeveranstaltung, von Disney für Disney. Schade. Die Filme haben das gar nicht nötig.

Die Ausstellung "Disney100" ist noch bis 03.09.2023 in der Kleinen Olympiahalle in München zu sehen.

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