Jerry Lee Lewis
Jerry Lee Lewis
April ‘64, Hamburg. Auf der Bühne: Der große, wilde Mann des Rock’n’Roll, Jerry Lee Lewis. Ein Konzert wie ein Erdbeben. Das Live-Album, das da entsteht, wird zum Vermächtnis. Great Balls of Fire. Und eigentlich ist die Nachricht ja nicht, dass Jerry Lee Lewis im Oktober gestorben ist – die Sensation ist, dass er solange noch unter uns war. Der letzte Rock’n’Roller der alten Schule. Mit seinem Feuer. Seiner Furchtlosigkeit. Über Drogen ließe sich auch sprechen, Sex, Skandale – aber was soll’s. "Der Killer", wie sie ihn nannten, ist tot. Er wurde 87.
Wolf Schneider, Journalist und Sprachkritiker
Wolf Schneider
97 wurde Wolf Schneider, Journalist und Sprachkritiker, den sie alle nur Sprachpapst nannten. Ihm zu Ehren ist dieses Totengedenken nicht nur mit Liebe verfertigt, sondern auch mit Akkuratesse: Stil. Grammatik. Rechtschreibung. Schneiders langes Leben, das im Frühling 1925 begonnen hatte, endete im Herbst 2022 in der Katastrophe: 35 Tage vor ihm starb sein Sohn, ein bekannter Rätselautor.
Olivia Newton-John. bekannt aus "Grease"
Olivia Newton-John
Olivia Newton-John. Schauspielerin und Sängerin, mit mehr als 100 Millionen verkauften Platten. Die erfolgreichste war ein Soundtrack: "Grease", ein Musical-Film mit ihr und John Travolta. 1992 dann der Brustkrebs – und 2017 erneut. Dieser Krankheit erlag Newton-John schließlich, im August. Ihre Heimat Australien verneigte sich vor ihr mit einem Staatsbegräbnis.
Regisseur Klaus Lemke
Klaus Lemke
Die Filmwelt, die traf es 2022 besonders hart. Sidney Poitier starb auch. Und William Hurt, Oscar-Preisträger alle beide. Die Regisseure Wolfgang Petersen und Jean-Luc Godard gingen von uns. Und nicht zuletzt er hier, für den Godard immer ein Vorbild war: Klaus Lemke, Maulheld und Erotomane des deutschen Kinos. Drei Zutaten, sagte Lemke gern, brauche ein gelungener Film: Einen guten Busen, einen schlechten Regisseur und kein Drehbuch. Ein Rezept, nach dem die Sorte Film entstand, die Kritiker "Milieustudie" nennen. Filme wie ihr Regisseur, die provozierten, auf Krawall aus waren, sich um nichts scherten. “Rocker" etwa, von 1972. Im Juli starb diese singuläre Figur, dieser Einzelkämpfer und Regisseur Klaus Lemke. Er wurde 81.
Eva Maria Hagen
Eva Maria Hagen
Sängerin, Schauspielerin – die Brigitte Bardot des Ostens. Mit 17 debütierte sie bei Brecht am Berliner Ensemble. Mit 31 verliebte sie sich in Wolf Biermann, Staatsfeind Nummer 1. Eine Beziehung, die sie ihre Karriere kostete. Später ging Hagen nach Hamburg. "Ich bin sehr schweren Herzens aus der DDR damals weggegangen, weil ich nicht fliehen wollte. Ich wollte mich ihnen in den Weg stellen. Ich gehörte mit zu denen, die geknabbert haben am Fundament, dass die DDR sich auflöste – von allein", sagte sie einmal. Und wer sie nicht kennt, bedauerlich genug, der kennt vielleicht ihre Tochter Nina, oder ihre Enkelin Cosma Shiva. Oma Eva-Maria starb im August – sie wurde 87.
Wimmelbuch-Erfinder Ali Mitgutsch
Ali Mitgutsch
Ein Bild. Hundert Geschichten: Ein Wimmelbuch! Und wer hat’s erfunden? Genau: Ali Mitgutsch aus München, Jahrgang 1935 – und vielleicht so beliebt bei Kindern, weil er im Herzen selbst eines war, wie er selbst sagte: "Der kindliche Blick ist mir geblieben. Die Naivität des Kindes, die habe ich mir erhalten, und die fand ich auch gut. Ich wollte nie so ein ausgekochter, abgebrühtes Ding werden." Die Wimmelbuch-Idee war ihm auf der Auer Dult gekommen, ganz oben im Riesenrad. Er starb im Januar, mit 86. Und weil auch wir uns den kindlichen Blick erhalten, stellen wir uns vor, dass er nun mit den anderen in den Wolken wohnt – und die Welt als Wimmelbild sieht.
Herbert Achternbusch
Herbert Achternbusch
Der gebürtige Münchner war eine Art begnadet-bayerischer Universaldilettant. Ein typischer "Achternbusch" war zum Beispiel folgende Szene aus "Das Gespenst" von 1982: Da steigt Jesus vom Kreuz und zieht mit einer Nonne durchs Land. Das konnte der regierenden CSU ebenso wenig gefallen wie schon "Servus Bayern" 1977, eine Abrechnung mit der Heimat als "dunklem Land der Schweinmast und der Autoindustrie". So wurde Achternbusch zu einer Art Freistaatsfeind. So sehr er bei vielen seiner Landsleute aneckte, so sehr war er ihnen auch in inniger Feindschaft zugetan. Er starb im Januar mit 83 Jahren.
Hans Magnus Enzensberger
Hans Magnus Enzensberger
Der Bannkreis und die Strahlkraft des nun verstorbenen Dichters, Essayisten, Übersetzers, Verlegers und Intellektuellen Hans Magnus Enzensberger können gar nicht groß genug gedacht werden. HME, wie sich sein Name schon bald nach seinem Betreten der literarischen Bühne Ende der 1950er-Jahre ehrfurchtgebietend abkürzte, war über ein gutes halbes Jahrhundert hinweg die bestimmende, ja maßgebende und weltweit geachtete intellektuelle Instanz der Bundesrepublik. "Was ist ein Intellektueller und was muss, soll, darf, kann er?", so fragte er 1984 rhetorisch in einem BR-Radio-Essay über Diderot als idealtypische Erscheinung. Für Hans Magnus Enzensberger war klar: Er kann, darf, soll, muss alles. Den Intellektuellen verstand er stets als Omnivor, als Allesfresser. Am 24.11.2022 ist Hans Magnus Enzensberger in München im Alter von 93 Jahren gestorben.
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