Der Watzmann ohne Wolfgang Ambros? Das ist so schwer vorstellbar wie der Hahnenkamm ohne Arnold Schwarzenegger, die Winklmoosalm ohne Rosi Mittermaier oder Meran ohne Reinhold Messner. Geht also eigentlich gar nicht! Am 9. März 2016, also vor gut zwei Jahren, hat Ambros das letzte Mal den Watzmann besungen, nicht in Berchtesgaden, sondern in Wien, von wo der Berg ja eigentlich gar nicht zu sehen, aber vermutlich umso deutlicher zu hören ist.
Bergstiefel sind riesengroß
Sagenhafte 44 Jahre tourte Ambros mit dem "Watzmann" durch die Welt, ein Wunder, dass sich trotzdem jeden Abend einer fand, der unbedingt "aufi" wollte. Klar, dass diese Bergstiefel riesengroß sind für jeden Nachfolger. Am Deutschen Theater in München schnürte sich gestern Abend Mathias Kellner die Schnallen, ein schwergewichtiges Mannsbild aus Straubing. Singen kann er, schließlich hat er schon drei Solo-Alben auf den Markt gebracht, aber das Charisma von Ambros hat er nicht, natürlich nicht. Leider fehlt ihm auch die erdig-animalische Tiefe, kurz und gut die Mischung aus Weltschmerz und Weltwitz, für die Ambros bekannt ist. Und "Skifoan" dürfte nicht gerade Kellners größte Leidenschaft sein, eher "Skischaun".
Bauer lässt den Notebook fallen
Nun ist der "Watzmann ruft" längst kein satirisches Alpen-Rock-Musical mehr, was es vor vierzig Jahren mal war, sondern nur noch eine Persiflage. Mit anderen Worten: Eine Satire auf eine Satire. Und deshalb ging die Neuinszenierung der Wienerin Brigitte Guggenbichler auch in Ordnung, längst spricht das Publikum ja jeden Satz innerlich mit. Also wurde der Text etwas aufgefrischt: Der Bauer lässt beim Porno-Gucken den Notebook fallen, die Gailtalerin treibt sich in einer Dating-App herum und Facebook kommt selbstredend auch vor. Die Gags sind allesamt etwas bemüht, der Schmäh, der über allem liegt, macht das aber vergessen.
Als Musical steinschlaggefährdet
Tapfer werfen sechs Tänzer ihre Beine, unverdrossen galoppiert eine Kuh dazwischen, aufreizend lädt der Teufel persönlich zur Walpurgnisnacht ein, und das berühmte Echo vom Königssee, es kommt zuverlässig aus dem Zuschauerraum. Als "Stargast" fiedelt Anna Katharina Kränzlein einen rasanten Csárdás, gekleidet in den ungarischen Nationalfarben. Joesi Prokopetz ist wieder als Bauer mit dabei - der Mann ist Mitautor der ersten Fassung des "Watzmann" von 1972 und lebt somit bald fünfzig Jahre recht gut von Almenrausch und Nebelschwaden. Da kann "Starlight Express" in Bochum nicht mithalten: Dort rollen die Skater erst seit dreißig Jahren. Der Watzmann als solcher ist natürlich noch viel älter, und trotzdem recken die Leute nach ihm die Hälse. Also hilft nur mitschunkeln bei Klaus Eberhartinger von der "Ersten Allgemeinen Verunsicherung (EAV)", der mit 67 noch eine kecke Gailtalerin abgibt und bei Christoph Fälbl, der als fescher Bursch ihrem schwarz-roten Zauber erliegt. Als Kultstück unvermeidlich, als Musical steinschlaggefährdet.
Täglich außer Montag bis 29. April.