Franz Herzog von Bayern spricht in der Katholischen Akademie Bayern
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Franz Herzog von Bayern hat seine Erinnerungen geschrieben, oder genauer: schreiben lassen.

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Geburtstag: Franz Herzog von Bayern zum 90.

Als Kind überlebte er drei KZs, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er zum passionierten Sammler moderner Kunst. Franz Herzog von Bayern, der "Zuschauer in der ersten Reihe" – wie der Titel seiner Autobiographie lautet – wird jetzt 90.

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Große Vorhaben beginnen häufig mit einem Anruf. Da klingelte bei der Historikerin Marita Krauss das Telefon: "Ich wurde angerufen vom Sekretariat vom Herzog, ob ich Lust hätte, am Freitag zum Tee in Nymphenburg zu kommen? Und dann wurde ich gefragt, ob ich Lust hätte, diesen Auftrag zu übernehmen? Erst einmal auch nicht im Blick darauf, ob dabei auch ein Buch herauskommt. Da wurde am Anfang nur überlegt, ob man Interviews macht, ob der Herzog seine Geschichte erzählt, vielleicht für die Familie, vielleicht für sich selbst, und dann schauen wir schon, was rauskommt. Auch dem Bayerischen Rundfunk ist Franz Herzog von Bayern für eine neue Dokumentation anlässlich seines 90. Geburtstags Rede und Antwort gestanden.

KZ Sachsenhausen, Flossenbürg und Dachau

25 lange Gespräche in Schloss Nymphenburg. Akustische Protokolle. Ausgeschrieben an die 1000 Seiten. Marita Krauss macht als Ghostwriterin über 300 Seiten Buch daraus. Die Wortwahl und die Auswahl der Themen halten sich an die wörtlichen Erinnerungen von Herzog Franz von Bayern. Die Nähe zur gesprochenen Sprache macht das Buch übrigens besonders gut lesbar. Erstes Kapitel: In der Nazizeit gingen die Wittelsbacher als erklärte Gegner des Regimes zunächst ins Exil nach Ungarn. Dann jedoch in die Konzentrationslager Sachsenhausen, Flossenbürg und Dachau. Franz von Bayern war als Kind monatelang in akuter Lebensgefahr, sah die Totentransporte und den Rauch aus der Gaskammer.

"Ein Tag ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Es war schönes Wetter, trotzdem so eine dumpfe Stimmung, wie halt Dachau war. Da flog plötzlich ein Fasan über das Lager. Er leuchtete in der Sonne – Fasanengockel sind sehr farbenprächtig –, er leuchtete wie ein Juwel, und in dem ganzen Lagertumult wurde es plötzlich totenstill. Alle schauten wie gebannt dieses Wesen an, wie aus einer anderen Welt, das oben drüber flog. Solche Bilder behält man als Kind.

Was ihm geblieben sei, ist unter anderem, dass er kein Brot wegschmeißen und keine Sahne wegschütten kann, sagt Marita Krauss. "Die Zeit im KZ beginnt im Oktober, November und geht ja dann bis zur Befreiung letztlich. Und ich denke, dass ein Kind das einfach anders wahrnimmt. So schildert er das ja auch. Und dann natürlich die Dinge sich behält und sich imaginiert, die auch schön waren. Und eben diese Leichen auch versucht deutlich in den Hintergrund der Erinnerung zu rücken."

Die wilden Nachkriegsjahre

Marita Krauss erzählt in den Worten des Herzogs von den wilden Nachkriegsjahren, von ersten Begegnungen mit den bayerischen Ministerpräsidenten seit Wilhelm Hoegner. Die vielfältigen caritativen Initiativen der Familie. Reisen nach New York werden zu kleinen Fluchten aus der Familiendisziplin. Franz Herzog von Bayern beginnt Kunst zu sammeln, und zwar solche, die Vater und Großvater nicht gefällt. "Dieser ganze Weg in die moderne Kunst, seine Passion auch für moderne Musik. Das ist natürlich auch ein Ablösungsprozess von der Familie gewesen.", so Kraus.

Im Galerieverein München wird Franz Herzog von Bayern ein wichtiger Diplomat für ein Museum der modernen Kunst in München – vor 21 Jahren endlich realisiert als Pinakothek der Moderne. Darin viele von ihm gestiftete Kunstwerke. Welche Ignoranz Franz Herzog von Bayern dabei von der bayerischen Politik entgegengebracht worden ist, insbesondere von den Ministerpräsidenten Alfons Goppel und Franz Josef Strauß, lässt den Herzog deutliche Worte finden. Das war für einen Weltmann, der auch lange Zeit im Beirat des Museum of Modern Art in New York gesessen ist, schlichtweg provinziell und unverständlich. Diese Engstirnigkeit in Bayern war vielleicht auch der Anlass dafür, warum uns Herzog Franz von Bayern erst in diesem Buch seinen Lebensgefährten, den Juristen und Heilpraktiker Thomas Greinwald, vorstellt, mit dem er seit 40 Jahren zusammen ist.

Die Liebe in ihrer Vielfalt akzeptieren

"Das ist dem Herzog auch ein großes Anliegen, es ist wichtig, die Liebe in ihrer Vielfalt zu akzeptieren. Und dass es selbstverständlich ist, dass man dazu steht, dass man einen Lebenspartner hat, der eben nicht dem Muster entspricht, das man sich vielleicht sonst erwartet hat. Und ich finde es ganz großartig, dass das jetzt auch in diesem Buch sichtbar wird", so Krauss. Man lernt in diesen Lebenserinnerungen von Franz Herzog von Bayern auch, dass das eigentliche Outing schon vor zwei Jahren stattgefunden hat. In der Ausstellung des holländischen Fotografen Erwin Olaf in der Kunsthalle München. Durch ein Foto als Paar, das ursprünglich privat bleiben sollte.

"Ich sitze in einem Sessel und Thomas steht in Tracht neben mir. Zwei Wochen später kamen wir zur Probehängung. Da meinte Olaf, die Fotos seien alle gut, aber besonders gut finde er das Foto von uns beiden und er möchte das auch in der Ausstellung haben. Selbst in unserer Zeit sende das Foto noch eine wichtige Botschaft."

Zur Frage des Wittelsbacher Ausgleichsfonds

Die Idee von Ludwig Hartmann, des grünen Fraktionsvorsitzenden im Bayerischen Landtag, jetzt nach 100 Jahren den Wittelsbacher Ausgleichsfonds zu beenden, erweist sich nach Lektüre des Buchs als ausgesprochen schlecht. Ein Großteil der Kunstwerke in bayerischen staatlichen Museen gehören dazu und stünden wieder zur Disposition. Die Idee für den Fonds geht übrigens auf den sozialistischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner zurück, der ein Jurist und kluger Mann war. Marita Krauss: "Ich finde die Lösung, diese ganzen Kunstwerke sichtbar den Ruhm Münchens verkünden zu lassen und in der ganzen Welt auch für München zu werben, doch großartig. Ich sehe nicht, warum man das kündigen sollte. Es ist ja auch kein Staatsgeld, was da bezahlt wird. Sondern die Einnahmen aus Immobilien- und Waldbesitz der nicht enteigneten Wittelsbacher zum Beispiel.

Herzog Franz von Bayern: "Zuschauer in der ersten Reihe. Erinnerungen" ist bei C.H. Beck erschienen.

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