"Flowers forever" in der Kunsthalle: überhaupt nicht trivial
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Sven Hoppe

"Flowers forever" in der Kunsthalle: überhaupt nicht trivial

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"Flowers forever" in der Kunsthalle: Überhaupt nicht trivial

Die Kunsthalle München zeigt Blumen in allen erdenklichen Arten, Formen und Zuständen. Die Ausstellung "Flowers forever" macht deutlich: Blumen sind alles andere als banal. Ganz im Gegenteil: Die Themen sind ernst.

"Flowers forever": der fluffige Ausstellungstitel trifft den Nagel auf den Kopf: Blumen sind beliebt. Alle Menschen liebten, lieben und werden Blumen immer lieben. Alle Menschen? Nein. Bei einem kleinen, debattierfreudigen, akademisch-intellektuell geprägten Kulturpublikum stehen Blumen unter Generalverdacht: banal, trivial, egal!

"Ich hab nur rollende Augen gesehen, wenn ich gesagt habe, wir machen eine Blumenausstellung", sagt Kunsthallen-Direktor Roger Diederen. Zudem habe es ihn überrascht, dass es so eine Ausstellung noch nicht gegeben habe, so groß aufgesetzt von der Antike bis zur Gegenwart. "Das war dann eine Herausforderung, weil es ist ein unendliches Thema."

Die Blume hat viel mit der Entwicklung von Kunst zu tun

Zur blumigen Vielfalt aus Farben, Formen und Arten gesellt sich ganz nebenbei die Vielfalt in der künstlerischen Darstellung. "Flowers forever" zeigt echte Blumen – geplättet in Herbarien, formerhaltend in Alkohol gelegt oder als begehbare Trockenblumen-Installation in Form eines duftenden Blütenkelchs. Hinzu kommen die Nachahmungen von Blumen: als KI-gestützte Computeranimation, als Porzellanblüte, als gebauter Tempel in Lotusblütenform, als goldener Hochzeitsschmuck von Kaiserin Sisi, als Bühnenbild zu Wagners Parsifal, als Gebetsteppich oder als geschnitzter Jugendstil-Haarkamm. Kurzum: Wenn es um Blumen geht, sind alle Gewerke mit im Boot.

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Die Installation "Blütenkelch / Calyx" von Rebecca Louise Law in der Kunsthalle München.

Und mehr noch: Blumen an sich haben viel mit der Entwicklung von Kunst zu tun. Denn Wissenschaftler interessierten sich schon früh vor allem für die heilenden Kräfte von Pflanzen, sagt Roger Diederen. "Da war es natürlich wichtig, deren Wissen zu vermitteln, das musste aufgeschrieben werden, aber eine Blume zu beschreiben ist verdammt schwierig." Also sei man sehr bald zur Illustration übergegangen. "Die perfekt realistische Darstellung der Natur ist sehr eng verbunden mit der Darstellung der Blume und der Pflanze."

Die Blume als Mittel der Selbstermächtigung

Von irgendeiner Banalität der Blume ist in der Ausstellung beileibe nichts zu spüren, im Gegenteil: die Themen sind ernst. Große Fotos zeigen die Schimmelbildung bei hochgezüchteten Tulpen, dessen Bekämpfung zu Antibiotika-Resistenzen geführt hat.

Kapwani Kiwanga etwa zeigt die Nachbildungen eines blühenden Pfauenstrauchs. Die Blume war ein unter Sklavinnen genutztes natürliches Abtreibungsmittel. Die Blume als letztes Mittel der Selbstermächtigung gegen ungewollte Schwangerschaften durch die Vergewaltigung durch Sklavenhalter. Die Künstlerin Owanto wendet sich gegen die noch immer übliche Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung, sie hat die Gesichter junger Afrikanerinnen auf Schwarzweiß-Fotografien mit Porzellanblüten verziert, die Assoziation mit Schamlippen ist deutlich und feiert ihre Schönheit.

Der Anteil von Künstlern zu Künstlerinnen ist ausgeglichen

Zu sehen gibt es außerdem die sehr überraschende Intarsien-Arbeit von Art Nouveau-Künstler Emile Gallé, sagt Diederen. "Ein hochpolitisches Möbelstück, das an drei Seiten Intarsien hat, die ein zertrampeltes Tulpenfeld darstellen und an einer Seite sieht man brennende Kirchen und dieses Möbelstück stellt den Genozid an den Armeniern von den Ottomanen an den Pranger und wurde auf der Weltausstellung 1900 ausgestellt."

Was auffällt: Der Anteil von Künstlern zu Künstlerinnen ist ausgeglichen. Denn für diese Ausstellung sei es leicht gewesen, Künstlerinnen zu finden, sagt Kunsthallen-Direktor Diederen. Weil es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als unpassend galt, dass Frauen nach dem lebenden Aktmodell zeichnen, sei ihnen der Zugang zu den Akademien verwehrt gewesen. "Aber bei Blumen war das natürlich kein Problem. Und die wenigen Frauen aus der älteren Kunst, die wir kennen, sind meistens Malerinnen, die sich der Blume gewidmet haben, weil sie da keine Hemmungen mit ihren Modellen hatten."

Die interaktive Installation "Extra-Natural" von Miguel Chevalier in der Kunsthalle München.
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Die interaktive Installation "Extra-Natural" von Miguel Chevalier in der Kunsthalle München.

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