Ulrich Khuon, Präsident des Deutschen Bühnenvereins, blickt vor einer weißen Wand mit Stuck in die Kamera
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Ulrich Khuon, Präsident des Deutschen Bühnenvereins

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Der Bühnenverein will das Theater gegen rechts stark machen

500 Kulturinstitutionen haben sich im Verein "Die Vielen" zusammengeschlossen, um sich gegen Attacken von rechts zu solidarisieren. Ulrich Khuon, Präsident des Deutschen Bühnenvereins, plädiert nun für mehr gesellschaftliches Engagement der Theater.

Theater in Deutschland seien immer häufiger Angriffen von rechts ausgesetzt, beklagt der Präsident des Deutschen Bühnenvereins, Ulrich Khuon. "Verbal geschieht das auf eine aggressive, giftige Art", so Khuon gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). "Im Grunde wird alles, was nicht AfD ist, als linksversifft bezeichnet. Außerdem gibt es den Weg über Gerichte und Kleine und Große Anfragen in den Parlamenten."

Vernetzung offener Kulturarbeit

Khuon plädiert nun entschieden dafür, dass die Theater verstärkt den Blick auf das Ganze werfen und die Gesellschaft spiegeln. "Es geht um Fragen wie: Warum haben Menschen das Gefühl, dass sie zu kurz kommen? Warum gibt es keinen Wohnraum? Warum verdient die Kita-Erzieherin so wenig?" Khuon ist Intendant am Deutschen Theater Berlin, wo 2018 die Performance "Global Gala" von Anhängern der rechtsextremen "Identitären Bewegung" gestört wurde. Der von den Aktivisten als "Intervention" bezeichnete Auftritt mit Megafon richtete sich gegen das Stück, das angeblich den "Weltbürger ohne eigene Identität" als anzustrebendes Ideal präsentierte.

Gegen solche Störaktionen hat sich bereits im Juni 2017 der Verein "Die Vielen" formiert. In seiner Selbstdefinition heißt es: "Ziel und gemeinnütziger Zweck ist die Beförderung internationaler Gesinnung" und "der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur". Zu den Zielen der Vereinsarbeit gehört die Vernetzung von "Künstler*innen, für die Theater und Kunst machen heißt, an einer Gesellschaft zu arbeiten, die sich aus Menschen aller Hautfarben und Geschlechtervariationen, vieler sexueller Orientierungen, unterschiedlichster Bedürfnisse und Fähigkeiten, aus Gläubigen und Nicht-Gläubigen zusammensetzt und auf deren Gleichberechtigung beruht".

Niemand ist auf eine Identität festgelegt

Das Motto des Vereins lautet: "Wir sind viele – jede*r einzelne von uns!" Das ist nicht nur ein griffiger Slogan, sondern lässt sich auch als identitätstheoretisches Statement lesen: Niemand ist auf eine Identität festgelegt, sei sie kulturell, ethnisch oder religiös definiert. Und niemand hat nur eine Identität. Genau in diesem Verständnis dessen, was einen Menschen und damit auch eine Gesellschaft ausmacht, liegt der Grundkonflikt vieler Kulturschaffender mit rechten Positionen – mit außerparlamentarischen Aktivisten wie den "Identitären", aber auch mit der AfD.

In ihrem Grundsatzprogramm bekennt sich die AfD ausdrücklich zur "deutschen Leitkultur", zu der nicht nur eine große Kunst-Tradition gezählt wird, sondern auch der "alltägliche Umgang der Menschen miteinander, das Verhältnis der Geschlechter und das Verhalten der Eltern den Kindern gegenüber". Solche Verhältnisse sollen offensichtlich geradezu leitkulturell festgeschrieben werden. Ebenso ausdrücklich grenzt sich das Programm von der "Ideologie des Multikulturalismus" ab, die "importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur" gleichstelle und deren Werte damit zutiefst relativiere.

Der kulturpolitische Sprecher der AfD im Bundestag, Marc Jongen, wirft den Theatern außerdem vor, sich immer wieder "an den zwölf Jahren des Dritten Reichs" abzuarbeiten. "So reduziert sich Theater zur antifaschistischen Erziehungsanstalt und beraubt sich selbst seiner künstlerisch-darstellerischen Vielfalt", so Jongen gegenüber der dpa. Er spricht davon, dass das politische Theater manipulativ auf das Publikum einwirke und missliebigen Konservativen "Schauprozesse" mache. Deshalb stelle die AfD Anträge auf Kürzung von Subventionen.

"Erklärung der Vielen"

Erfahrungen mit der AfD hat auch Amelie Deuflhard, künstlerische Leiterin der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel, schon gemacht. Sie wurde von der AfD unter anderem wegen Schlepperei und eines Verstoßes gegen das Ausländergesetz angezeigt, weil Ende 2014 auf dem Kampnagel-Gelände ein künstlerischer Aktionsraum für Flüchtlinge entstand. Ein Verfahren sei nie eingeleitet worden, sagt Deuflhard. Die AfD wende sich vielmehr gegen die Kunst, weil dies Aufmerksamkeit erzeugt, glaubt die Theatermacherin. Auch die Schließung von Kampnagel, wo viele geflüchtete Künstler aktiv sind, werde immer wieder gefordert. Sie sagt: "Meine Strategie ist, dass wir ein positives Bild von unserer diversen Gesellschaft entwickeln. Wir machen ein internationales Programm und versuchen zu verstehen, wie unterschiedliche Kulturen ticken." Deuflhard ist Koordinatorin der Bewegung "Die Vielen" für Hamburg.

In regionalen "Erklärungen der Vielen" tritt die Initiative für ein Verständnis unserer Gesellschaft als "plurale Versammlung" ein – und begreift die Kunst und ihre Einrichtungen, die Museen, Theater, Ateliers, Clubs und urbanen Orte als offene Räume, die vielen gehören." Bisher wurden solche Erklärungen für Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Dresden veröffentlicht, weitere sollen demnächst folgen. Zudem sind im Mai in Berlin und anderen Städten Demonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmern geplant. Das Motto lautet: "Solidarität statt Privilegien. Es geht um Alle. Die Kunst bleibt frei!"

Mit Material der dpa.

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