Er gilt als einer der populärsten Liedermacher Deutschlands, kaum einer kann nicht seinen Song "Über den Wolken" zumindest mitsingen: Reinhard Mey hat der Startbahn null-drei auf einem unbekannten Flugplatz musikalisch ein Denkmal gesetzt. Noch heute singt er mit viel Sehnsucht in der Stimme das Lied von der Luftaufsichtsbaracke und dem Wind der stets aus Richtung Nord/Ost weht vor Publikum, erst zuletzt hat er – allein und mit Gitarre vor bis zu 7.000 Fans – coronabedingt verschobene Konzerte nachgeholt.
An diesem Mittwoch wird nun der gebürtige Berliner 80 Jahre alt. Er ist der Stadt weitgehend treu geblieben. Hier lernt er nach Klavier und Trompete schließlich Gitarre. Das Instrument wird ihn durch sein Leben begleiten. Er spielt früh mit den Rotten Radish Skiffle Guys und im Trio Les Trois Affamés (Die drei Hungrigen).
Meys Eltern sind mit einem französischen Paar befreundet. Damit sowas wie Krieg zwischen beiden Ländern nicht mehr passiert, schicken sie ihren Sohn ein französisches Gymnasium in Berlin. Nach deutschem Abitur und französischem Baccalauréat lernt Mey Industriekaufmann, bricht aber das nur zur Beruhigung der Eltern begonnene Betriebswirtschaftsstudium ab. Er will sich ganz der Musik widmen.
Reinhard Mey: Durchbruch in den Siebzigern
Die Karriere beginnt als "Barde mit der Gitarre" in den 60er-Jahren in Frankreich als Frédérik Mey. Er vertont Balladen von François Villon und Gedichte des Lyrikers Georg von der Vring. In Deutschland tingelt er durch Kneipen, spielt Konzerte mit Hannes Wader. Das jeweils dürftige eigene Programm der jungen Barden reicht für komplette Konzertabende noch nicht aus.
Anfang der 70er-Jahre stellt sich der Erfolg ein, Mey wird zum Alleingänger unter den deutschen Liedermachern. Seine Alben werden vergoldet, er spielt lange Tourneen. Liedtitel wie "Der Mörder ist immer der Gärtner" finden mit den Jahren als Sprichwörter ihren Platz im allgemeinen Sprachgebrauch. Mey erzählt Kuriositäten wie "Ich bin Klempner von Beruf" oder "Ankomme Freitag den 13.", gibt sich rettungslos verliebt in "Annabelle, ach Annabelle", er wird sarkastisch in "Die heiße Schlacht am kalten Büffet" oder gar böse wie in "Diplomatenjagd".
Mehr als 500 Lieder
Für das Duo Inga und Wolf schreibt er das einfühlsame Chanson "Gute Nacht, Freunde", singt das Stück auch selbst. Seine Sammlung umfasst mehr als 500 Lieder. Die lange Karriere zählt bisher 28 Studioalben. Die Songs auf der jüngsten Aufnahme "Das Haus an der Ampel" werfen in melancholischem Grundton den Blick zurück aufs Elternhaus.
Mit seiner zweiten Frau Hella gründet Reinhard Mey die eigene Familie. Das Leben mit den Kindern Frederik, Maximilian und Victoria-Luise macht auch das Liedrepertoire privater. Maximilian stirbt 2014 nach fünf Jahren im Wachkoma. Frederik wird Pilot. Victoria-Luise begleitet den Vater mitunter als Sängerin oder Fotografin.
"Alle Fehler, die ich gemacht habe, mussten gemacht werden", verrät er auf seiner Homepage. "Zweifel begleiten mich immer, ich glaube sie sind ein unverzichtbares Instrument, das hilft, den kritischen Abstand zu sich selbst zu wahren." So prüfe er seine Zeilen für die Songs auch mit Abstand "wie ein Maler, der von seinem Bild zurücktritt, um es deutlicher zu sehen".
Mit Informationen der dpa
Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!