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Der andere Liebhaber

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"Der andere Liebhaber": François Ozons Erotik-Reflexionen

"Der andere Liebhaber": François Ozons Erotik-Reflexionen

François Ozon ist ein französischer Filmemacher, in dessen Produktionen die Frauen das Sagen haben. Das ist auch in Ozons neuestem Opus so: Diesmal verliebt sich die Heldin in Zwillingsbrüder, was zu Überraschungen führt. Von Kirsten Martins.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

"Ich wollte visuell herausfordernd beginnen, die ersten Einstellungen zeigen schon wohin es gehen wird, womit sich der Film beschäftigen wird. Diese starken Bilder erscheinen anfangs vielleicht rätselhaft, doch im Verlauf des Films wird klar, warum ich sie an den Anfang stelle."

...so François Ozon über die provozierende Bilderfolge zu Anfang seines Films: Eine junge Frau läßt sich Haare kurz abschneiden, ein gynäkologisches Instrument wird aus einer Vagina gezogen und dann füllt das senkrecht gestellte Auge der Frau die Leinwand aus. Damit umreisst der Franzose kurz seine Themen: Verwandlung, Sexualität, der weibliche Blick nach außen und nach innen.

Rätsel und Geheimnisse

Es ist die Geschichte, die das Genre bestimmt. Die Hauptfigur will ein Rätsel lösen, und sie beginnt damit, dass sie zuerst ihre eigenen Geheimnisse aufspürt - der Thriller ist für den Stoff daher das richtige Genre – denn es hat viel mit der Psychoanalyse zu tun – auch da geht es darum Rätsel und Geheimnisse aufzudecken. Das rehäugige, knabenhafte Exmodel Chloe leidet an rätselhaften Bauchschmerzen. Da es keine organischen Ursachen gibt, beginnt die spröde, verschlossene Frau eine Psychotherapie bei Paul. Der trägt im blonden Haar Seitenscheitel und eine dunkle Brille, ist hübsch, muskulös, und verständnisvoll zurückhaltend. Die beiden verlieben sich, brechen die Therapie ab und ziehen zusammen, obwohl doch Pauls Kater Chloe nicht mag.

Softpornospiele vor Spiegeln

Auf der Strasse in Paris entdeckt sie zufällig einen Mann, der genauso aussieht wie Paul. Sie verfolgt ihn, weiß bald, dass er auch als Psychologe arbeitet. Neugierig beginnt Chloe unter falschem Namen eine Therapie bei Louis. Der ist ein spiegelverkehrter Zwilling von Paul, und kein braver, sondern ein böser Junge. Der arrogante, dominante Snob meint, dass heftiger Sex mit ihm die beste Therapie sei. In Louis eleganten Räumen vor riesigen Spiegeln lebt Chloe in Softpornospielen unbekannte Bedürfnisse aus, die sie vor Paul verbirgt. In den sie reflektierenden Flächen vervielfacht sich Chloe physisch wie psychisch, irgendwann kann sie – und auch der Zuschauer - nicht mehr zwischen Fantasie und Wirklichkeit unterscheiden – ist Paul vielleicht Louis? Oder umgekehrt? Und wer ist sie selbst, was und wer verbirgt sich in ihr.

"Mich interessiert es die Natur des Bildes zu hinterfragen: die Grenzen zwischen Realität, Vorstellung und Traum verwischen sich, so daß sich der Zuschauer sich fragt, was er eigentlich sieht. Er weiß nicht, was Lüge, was Wahrheit oder was Fantasie ist, die ja auch viel Wahrheit beinhalten kann." François Ozon

Voyeurismus des Publikums

Inhaltlich und formal variiert der Film ständig das Zwillings-Motiv, manche Räume sind sogar spiegelbildlich eingerichtet, und immer wieder fährt die Kamera in Spiegelungen, Reflexionen hinein, spielt à la Brian de Palma, Roman Polanski und John Carpenter mit dem Voyeurismus des Publikums. So intim manche Szenen sind, bleibt Ozon dennoch distanziert gegenüber seinen Figuren.

Die Themen Verwandlung, Sexualität, der weibliche Blick nach außen und nach innen, verwässert Ozon oberflächlich, wagt sich trotz blutiger Phantasien und Horroreinlagen nicht an das verstörende Dilemma der Charaktere heran. Sie wirken, als seien sie vom Rest der Welt wie durch eine Glasscheibe getrennt. „Der andere Liebhaber“ basiert lose auf einer Kurzgeschichte von Joyce Carol Oates.

Wie ein Werbefilm für teures Parfum

François Ozon schrieb das Drehbuch, dass das Doppelgänger-Thema allzu breit auswalzt und damit verflacht. Trotz vieler Wendungen geht die Spannung irgendwann flöten, das Interesse an den Figuren und ihrem Schicksal verliert sich in allzu vielen Spiegelungen. Bewusst kühl fotografiert wirkt "Der andere Liebhaber" nun wie ein Werbefilm für ein teures Parfüm: fließend sind die Kamerafahrten, elegant die Inneneinrichtungen und seine gut aussehenden Protagonisten schiebt Francois Ozon wie Schachfiguren auf einer spiegelnden Oberfläche hin und her. Schon in seinen anderen Werken "Ricky", "Unter dem Sand“ und "Swimming Pool" ist der Zuschauer auf sich gestellt, kann seine eigenen Schlüsse ziehen, sich seiner eigenen Fantasie überlassen – an sich ein wunderbarer Ansatz. Nur diesmal ist die Konstruktion allzu bemüht und irgendwann möchte man keine Spiegelung der Spiegelung der Spiegelung mehr sehen - großartig jedoch die Darstellung von Jérémie Renier in der Doppelrolle des Paul/Louis.