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"Sonnensegel" von Günther Behnisch in Dortmund

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Heikler Denkmalschutz: Architektur zwischen arm und reich

"Armut ist der beste Denkmalpfleger" heißt es ironisch aus Städten wie Dortmund, die sich Sanierungen oft nicht leisten können. Das reiche München ist das Gegenbeispiel, dort wird gern abgerissen und neu gebaut. Ein Spannungsfeld. Von Lorenz Storch

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Welche Bauwerke gehören unter Denkmalschutz gestellt? Alte Kirchen, mittelalterliche Häuser, repräsentative Schlösser, klar. Aber inzwischen gelten auch die Bauten der Nachkriegsmoderne als denkmalwürdig, nicht nur die 1950er, sondern auch die 60er und 70er Jahre. Nicht immer aber bekommen sie die Aufmerksamkeit und Wertschätzung, die ihnen gebühren würde. Dabei spielt auch Geld eine Rolle: Dortmund, Westfalenpark. Die Anlage war in den 1960er Jahren eine grüne Oase inmitten von rauchenden Stahlhütten und Zechen.

Experiment mit Holzkonstruktion

Stolz war man hier auf die Bundesgartenschau 1969 und mitten im Westfalenpark steht ein emblematisches Bauwerk: Das "Sonnensegel" in Form eines Zeltdachs. Gebaut von Günther Behnisch, Architekt auch der Zeltdächer für die Olympischen Spiele in München, drei Jahre später. Eva Dietrich, Denkmalpflegerin beim Landschaftsverband Westfalen:

Das hier ist wirklich ein experimenteller Bau für Holzkonstruktion, der einzigartig ist in Deutschland. Von daher ist das zwar nicht so groß und medienwirksam wie München, aber hat einfach in der Konstruktionsgeschichte einen bedeutenden Rang. - Eva Dietrich

Einsturzgefahr in Dortmund

Allerdings: Während München sein Olympiagelände seit Jahrzehnten kontinuierlich saniert, mit dreistelligem Millionenaufwand, bietet der Behnisch-Bau hier in Dortmund ein ganz anderes Bild. Das Konzertgelände unterhalb des Sonnensegels ist seit fünf Jahren gesperrt – Einsturzgefahr! Bauzäune durchtrennen seitdem im Westfalenpark wichtige Wege. Das hat natürlich auch mit Geld zu tun. Michael Holtkötter, Denkmalpfleger bei der Stadt Dortmund:

Wir fangen das Jahr immer mit einer Haushaltssicherung an. Und im Laufe des Jahres entspannt sich das. Aber das ist ein Spiel… Ich bin seit 30 Jahren Denkmalpfleger in der Stadt, das kennt man, damit arrangiert man sich. Volle Kassen habe ich hier noch nie erlebt. - Michael Holtkötter

"Wir müssen uns kulturellen Luxus leisten"

Die Aufgabe gestaltet sich denn auch durchaus anspruchsvoll: 1,8 Millionen Euro müssen investiert werden, um die komplizierte Holzkonstruktion von Behnischs Sonnensegel zu erhalten.

Ich bin der Auffassung, dass wir uns einen gewissen kulturellen Luxus leisten müssen. Dass wir wohnen, uns kleiden und etwas zu essen haben, ist natürlich auch wichtig. Aber der Mensch braucht noch etwas mehr. Er braucht Identifikationspunkte. Und das Sonnensegel hat eben auch viele Dortmunder begleitet, beim Besuch im Westfalenpark. Damit sind Erinnerungen verbunden. wenn wir solche Identifikationsmomente nehmen, dann wird es schwierig und gesichtslos. - Michael Holtkötter

Städte brauchen Kontinuität

Geld ist nicht alles, Wertschätzung für oft geschmähte Nachkriegsbauten ist noch wichtiger, sagt Heiner Farwick. Als Präsident des Bundes Deutscher Architekten kommt er viel herum in Deutschland und beobachtet: Gerade in den reichen Städten ist der Druck auf die Architektur der Nachkriegszeit am größten.

Wo man sagt, da kommt jetzt etwas Größeres hin, was das Grundstück besser ausnützt. Den Druck haben wir natürlich gerade in den boomenden Städten. Aber dann müssen wir uns auch bewusst machen, dass unsere Städte auch Kontinuität brauchen. Und die Bauten der 50er und 60er Jahre gehören dazu, um diese Kontinuität wieder herzustellen. - Heiner Farwick

"Armut ist bester Denkmalpfleger"

Im reichen München sind bedeutende Bauten schon verloren. Das „schwarze Haus“ des Süddeutschen Verlags etwa wurde – obwohl denkmalgeschützt – abgerissen. Es musste Platz machen für ein gesichtsloses Luxus-Einkaufszentrum. Und die meisten anderen Nachkriegsbauten in München stehen gar nicht auf der Denkmalliste.

Unseren Städten geht da etwas verloren an Identität. Es ist bei Gott nicht jedes Gebäude der 60er und 70er Jahre von hoher Qualität. Aber wir reden schon über ein paar Gebäude, ich glaube, der Münchner Bahnhof wäre es wert gewesen, auch aus seiner Zeitgeistigkeit heraus. - Heiner Farwick

Die Empfangshalle des Hauptbahnhofs von 1960 soll einem Allerwelts-Glasbau weichen, der mehr Einkaufszentrum als Bahnhof sein wird.„Armut sei der beste Denkmalpfleger“, heißt es manchmal, etwa wenn es etwa darum geht, dass eine Stadt wie Regensburg ihr mittelalterliches Gesicht nur dank leerer Kassen behalten hat. Aber auch zuviel Wohlstand kann zum Verhängnis werden: Möglich, dass München dadurch seine architektonische Vielfalt verliert.