Blick in den ehemaligen Zuschauerraum
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Sanierungsfall: Augsburger Theater

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"Das hinterlässt Spuren": Bayerns Theater im Sanierungsstau

Marode Bauten von Coburg über Nürnberg bis Landshut: Überall müssen betagte Bühnen generalsaniert werden, doch es dauert unfassbar lang und ist meist deutlich teurer als geplant. Mit dem Münchner Gasteig droht ein neues Millionen-Debakel.

Ja, das wäre wunderbar, wenn alle bayerischen Theaterstädte so ein repräsentatives Haus hätten, wie es in Linz steht: Mit Tiefgarage, Dachrestaurant, modernster Technik und ganz viel Platz in den Foyers und Serviceräumen. Ein bauliches Juwel, fürwahr, doch in Bayern spielen inzwischen nicht wenige größere Bühnen in mehr oder weniger unwirtlichen Ausweichquartieren, während Stammhäuser vor sich hin bröckeln, ja sogar zum jahrelangen Ruinen-Dasein verdammt sind.

Die Isarphilharmonie in München ist eine rühmliche Ausnahme, der akustisch eindrucksvolle Saal wurde tatsächlich fristgerecht eingeweiht, die Arbeiten blieben im Kostenrahmen, wie auch beim Münchner Volkstheater, doch dafür zeichnet sich beim Kulturzentrum Gasteig ein umso größeres Debakel ab, vom neuen Münchner Konzertsaal, der nach zwanzigjähriger Debatte momentan abermals einer "Denkpause" der Staatsregierung unterliegt, ganz zu schweigen. Ob und wann die Generalsanierung und Umgestaltung der Kulturbastion Gasteig beginnt, ist mangels Investor ungewisser denn je.

In Salzburg ging es billiger und schneller

An derartigen Unwägbarkeiten ist leider überhaupt kein Mangel im Freistaat. In Regensburg dient das Antoniushaus als Notbehelf, weil das örtliche Velodrom aus Brandschutzgründen geschlossen werden musste. Sanierungsbeginn frühestens 2026. In Nürnberg soll die marode Staatsoper ungefähr zehn Jahre lang hergerichtet werden, die Frage ist, ob das wirklich ab 2025 in Angriff genommen werden kann, denn erst mal muss ja das Ausweichquartier am Dutzendteich im nordwestlichen Bereich der Kongresshalle entstehen. Die "bauliche Umsetzung" ist für kommendes Jahr angedacht, woran es ernsthafte Zweifel gibt.

In Coburg verzögerte sich die Eröffnung der Ausweich-Spielstätte, bekannt als Globe-Theater, um ein ganzes Jahr, auch hier wird damit gerechnet, dass das Landestheater selbst mindestens zehn Jahre saniert werden muss. Das ist alles erstaunlich, wenn man weiß, dass das Salzburger Landestheater innerhalb von sechs Monaten runderneuert wurde, übrigens im Kostenplan von knapp 14 Millionen Euro.

Auch in Augsburg muss sich das Staatstheater seit 2016 mit einer ehemaligen Fabrikhalle im Textilviertel begnügen. Immerhin wird im entkernten Stammhaus gewerkelt, vor 2028 ist allerdings kaum mit der Fertigstellung zu rechnen. Intendant André Bücker platzte im vergangenen Mai der Kragen. Er schimpfte in einer örtlichen Zeitung auf die "Baugruben-Tristesse" und verwies auf Fotos von der Baustelle: "Sieht so aus, als täte sich nicht viel."

In Würzburg muss sich Intendant Markus Trabusch ebenfalls mit einem provisorischen Quartier behelfen, der "Blauen Halle" in einem Gewerbegebiet am Stadtrand. Beim Sanierungsprojekt am Stammhaus ging das Planungsbüro in Insolvenz, ein Neubauteil steht zwar fast fertig da, aber eben nur fast. Der Bezug wurde schon fünf Mal verschoben. Das zerrt an den Nerven.

"Zum Haare raufen"

Intendant Markus Trabusch macht gegenüber dem BR daraus keinen Hehl: "Für zwei Jahre geht man ja manchen Kompromiss ein, wenn das dann jedoch sechs Jahre oder sogar mehr werden, dann erweisen sich die Kompromisse, die man gemacht hat, nahezu als handwerkliche Fehler. Das geht los bei Einsing-Zimmern, die fehlen, das geht im Backstage-Bereich weiter. Zu kalt oder zu warm, je nach Winter oder Sommer, mit zu wenig Platz für die Unterbringung der Kostüme, mit nicht ausreichendem Lager für das Bühnenbild. Das heißt, diese Ersatzquartiere, wenn sie als Provisorium gedacht sind, kommen allzu schnell an ihre Grenzen, wenn es um einen dauerhaften Spielbetrieb geht, und das ist tatsächlich zum Haare raufen, weil man so viel mehr machen könnte, wollte und müsste, als man in dieser Situation machen kann."

Für das Schauspiel in Würzburg sei die Lage besonders dramatisch, weil im Ersatzhaus jedes Mal der Orchestergraben von Hand überbaut werden müsste, das dauere jedoch zu lange. "Das Schauspiel ist bei uns seit Jahren ohne wirkliche eigene Spielstätte, das hinterlässt Spuren, nicht nur bei der Schauspieldirektorin, auch beim Intendanten."

Mainfrankentheater in Würzburg
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Mainfrankentheater in Würzburg

"Ich will gar nicht mehr aufzählen"

Das Landestheater Niederbayern muss seit fast neun Jahren in einem Theaterzelt auf dem unwirtlichen Messegelände spielen. Das Stammhaus soll in einem ersten Bauabschnitt "so bald wie möglich" renoviert werden, doch selbst Optimisten rechnen nicht damit, dass die Arbeiten vor 2028 abgeschlossen sind, und selbst dann bliebe das Zelt stehen, weil im Stammquartier nur kleinere Studioproduktionen möglich wären.

Es geht also unfassbar langsam voran, und Intendant Stefan Tilch ist für seine Duldsamkeit zu beneiden: "Die nervliche Belastung im Zelt ist die gleiche wie am Tag eins. Die Störfaktoren, vor allem die Lärmbelästigungen, sind unkontrollierbar, weil ein Zelt alles aufschnappt und lauter macht, als es draußen klingt, von egal wo in der Stadt, Flugzeuge, Hubschrauber. Ich will gar nicht mehr aufzählen. Dieses ewige Gestörtsein durch Krawall und Parallelveranstaltungen, sommers wie winters, bleibt einfach ein riesiger nervlicher Faktor. Die Klimatisierung ist hochproblematisch, auch der Durchzug. Die Erkrankungen im Ensemble aufgrund der klimatischen Verhältnisse sind auf einem hohen Niveau."

Vor allem die Bürokratie und übertriebene Vorschriften, etwa zu Vergabeverfahren, tragen dazu bei, dass Kulturbauten in Deutschland regelmäßig aus dem Ruder laufen, so Fachleute. Trauriges Beispiel ist die Oper Köln, deren Sanierung drei Mal teurer zu werden droht als geplant und vermutlich eine Milliarde Euro verschlingt. Na gut, die Elbphilharmonie in Hamburg, heute stolzes Wahrzeichen der Hansestadt, wurde sogar elf Mal teurer als gedacht.

Bürger "grätschen" dazwischen

Und alles dauert deutlich länger: In Köln sollte der sanierte Opern-Bau schon vor sieben Jahren bezogen werden, die Eintrittskarten waren gedruckt, die Einladungen verschickt, jetzt rechnen sie dort mit einer Eröffnung im März 2024. Eigentlich unglaublich, diese Zahlen, diese Daten, aber es sieht nicht so aus, als ob die Kommunal- und Landespolitiker Investitionsprojekten in der Kultur besondere Aufmerksamkeit widmen.

Und manchmal "grätschen" auch die Bürger dazwischen: Sowohl in Köln, als auch in Ingolstadt ("Keine Kammerspiele an der Schutterstraße"), verkomplizierten Bürgerbegehren die Sachlage. In Augsburg machten Initiatoren zwar zwei Anläufe, die Theatersanierung zu verhindern, scheiterten während der Pandemie jedoch beim Unterschriftensammeln.

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