Das Magazin "Titanic" hatte einen Tweet von Beatrix von Storch satirisch überhöht. Von Storch twitterte über – wie sie sich ausdrückte – „barbarische, muslimische, gruppenvergewaltigende Männerhorden“ - und wurde gesperrt. Die Titanic griff den Tweet auf und fragte unter dem Namen der AfD-Politikerin, ob sie etwa, wenn sie sich bedroht fühle, die 110 anrufen solle – schließlich handele es sich dabei ja um arabischen Ziffern.
Twitter blockierte diesen Tweet ebenfalls, fünf weitere noch dazu und anschließend den ganzen Account des Satire-Magazins. Seit Samstag aber sind alle Tweets wieder online. Also: Alles wieder gut? – Nee! Die Realsatire zeigt eine Praxis des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, vor der Kritiker wie etwa Reporter ohne Grenzen lange gewarnt haben. Ihr Argument: Der Staat überlässt die Ahndung eventuell strafbarer Äußerungen gewinnorientierten Konzernen.
Freudlose "Fabriken", in denen Niedrigverdiener im Akkord die Postings löschen
Gewinnorientierung heißt Kostenminimierung. Löschen kostet nichts. Die Bußgelder hingegen, die das Netzwerkdurchsetzungsgesetz androht, sind hoch.
Auf der Strecke bleiben auf jeden Fall glossierende Postings. Seit geraumer Zeit schon richten die Internet-Konzerne freudlose Fabriken ein, wo Niedriglöhner im Akkord löschen. Dort fehlt es naturgemäß am Sinn für Scherz, Satire und Ironie. Andererseits werden auch die Witze immer gröber. Die satirische Überhöhung ist ein schwieriges Geschäft geworden, sagt der Titanic-Chefredakteur Tim Wolff:
"In einem Fall wie dem von Frau von Storch ist es schon nicht leicht. Wenn die Ziele von Satire immer dreister werden, kommt man nicht umhin auch dreist zu sein. Und das macht es natürlich nicht so leicht." Tim Wolff, Titanic
"Wer mit einem Holzhammer umgehen kann, versteht auch die Titanic"
Von künstlicher Intelligenz verspricht sich die IT-Branche derzeit die Lösung fast aller Probleme. Und in sozialen Netzwerken wird sie auch bereits eingesetzt, um problematische Postings aufzustöbern. Die künstliche Intelligenz sollte doch auch in der Lage sein, Ironie zu erkennen, möchte man meinen – zumal Tim Wolff sagt, dass man wirklich nicht gar so gescheit sein muss, um über die Titanic lachen zu können:
"Na ja, sagen wir es so, so oft wie uns infantiler, pubertärer Humor vorgeworfen wird, kann man sagen: Es braucht nicht sonderlich viel Intelligenz, um unsere Witze zu verstehen. Wer mit einem Holzhammer umgehen kann, versteht auch die Titanic." Tim Wolff, Chefredakteur
Aber künstliche Intelligenz versteht weder die Titanic noch irgendeine andere Satire. Sie versteht gar nichts. Sie erkennt Gesichter, Stimmen und Handschriften, aber keine Karikaturen. Computer lachen nicht.