Das Publikum ist wie so oft völlig anderer Meinung als die Filmkritiker: In Amerika rennen die Zuschauer ungeachtet vieler Verrisse in den grotesken Horror-Film "Cocaine Bear", der nach zwei Wochen schon knapp 45 Millionen US-Dollar Umsatz machte. Es geht in der bluttriefenden Produktion um einen Grizzly, der am Koks nascht und deshalb völlig durchdreht. Die Macher ließen sich dabei von einem Vorfall aus dem Jahr 1985 inspirieren, als ein mit Kokain beladenes Flugzeug über dem US-Bundesstaat Georgia abstürzte. Drehbuchautor Jimmy Warden malte sich aus, was passiert, wenn zufällig ein Bär vorbeikommt und sich am herrenlosen Stoff "bedient": Er wird Touristen, Polizisten und Drogisten gleichermaßen gefährlich.
"Den lesen ja auch Kinder"
In Frankreich freilich wurde der Film als "Crazy Bear" gestartet, was umgehend Spekulationen auslöste, da sei womöglich "Zensur" im Spiel, weil ein "kokainhaltiger" Titel für manche Menschen als "beleidigend" empfunden werde: "Den lesen ja auch Kinder." Auf Twitter machten sich Spaßvögel über die skurrile Marotte des französischen Filmverleihers lustig, einen englischen Filmtitel in derselben Sprache umzubenennen, das sei in etwa so logisch wie aus "Hangover" einen "Very Bad Trip" zu machen. In einem Tweet hieß es, alles drehe sich in dem Film um Koks, daher hätten die Verantwortlichen in Frankreich den Titel nur "verschlimmbessert", und zwar ohne vernünftigen Grund, zumal "Cocaine" im Französischen dasselbe bedeutet wie im Englischen.
Es gab jedoch auch Stimmen, die darauf hinwiesen, dass zum Kulturtransfer nicht nur die Übersetzung gehöre, sondern auch unterschiedliche Mentalitäten. "Crazy Bear" treffe demnach genau den Geschmack des französischen Zielpublikums. Irgendjemand müsse das "ganze Koks aus diesem Film weg geschnieft" haben, spottete ein Kommentator. Ein anderer hielt "Crazy Bear" für "Kinderkram", ein weiterer schrieb, das Kokain müsse aus dem Titel des Horror-Streifens raus, weil "Gerard Depardieu in Frankreich Markenschutz" genieße. Mit Blick auf besonders geschützte Herkunfts-Regionen wie die Champagne wurde auch ironisch darauf hingewiesen, Koks dürfe nur in Produkten aus "traditioneller Herstellung" enthalten sein.
"Nicht so intelligente Kinobesucher"
In Deutschland startet der "Cocaine Bear" unter dem US-Titel am 13. April, also in den Osterferien. Hierzulande ist es seit Jahren üblich, große englischsprachige Produktionen aus Marketinggründen nicht mehr einzudeutschen. Früher war das anders, da blamierten sich Verleiher beim Übersetzen von Titeln regelmäßig mit peinlichen Entgleisungen. Aus der Militärklamotte "Stripes" mit Bill Murray in der Hauptrolle wurde "Ich glaub', mich knutscht ein Elch". Die Actionkomödie "Hot Fuzz" wurde mit dem mäßig geschmackvollen Zusatz garniert: "Zwei abgewichste Profis".
Im Netz gibt es zahlreiche Seiten, wo über die verunglückte Wortkosmetik der Filmbranche hergezogen wird. So wurde aus dem Rachedrama "Taken" hierzulande "96 Hours", eine inhaltlich motivierte Neubetitelung vom Englischen ins Englische: Der Held hat 96 Stunden, um seine Tochter zu retten. Aus dem Horror-Machwerk "Tremors" (Erdstöße) wurde "Im Land der Raketenwürmer". Skurril mutet auch der Einfall an, aus "Mo' Money" einfach "Meh' Geld" zu machen. Aus einem "Dollhouse" (Puppenhaus) wurde doch tatsächlich ein "Tollhaus", aus "Toy Soldiers" (Spielzeugsoldaten) "Boy Soldiers" (Kindersoldaten) und aus dem "Pacifier" (Befrieder) machten sie "Der Babynator". Unfreiwillig komisch erscheint auch "Agent Null Null Nix" für "The Man Who Knew Too Little" (Der Mann, der zu wenig wusste).
Nicht immer liegt es übrigens an den Verleihern selbst, wenn Filmtitel geändert werden müssen. "Zootopia" musste in Europa "Zoomania" heißen, weil es einen dänischen Freizeitpark gibt, der geschützte Namensrechte hat. "Man muss es so hart sagen, aber die meisten Verleiher gehen anscheinend davon aus, dass der durchschnittliche deutsche Kinobesucher nicht so intelligent ist", wird der Experte Michael Kinzer vom deutschen Filminstitut zitiert, wenn es um absurde, scheinbar erläuternde "Anhängsel" zu Filmtiteln geht ("Wilder geht's nicht", "Schokolade zum Frühstück").
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