Karl Stankiewitz: Münchner Reporterlegende mit Augenklappe
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Karl Stankiewitz: Münchner Reporterlegende mit Augenklappe

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Chronist Münchens: Karl Stankiewitz wird ausgezeichnet

Er war von Anfang an dabei und hat als Reporter der Münchner Abendzeitung die Stadt in all ihren Facetten beschrieben. Dafür erhält Karl Stankiewitz den Ernst-Hoferichter-Preis. Porträt eines echten Münchner Bürgers von Welt.

Es ist nicht lange her, da hat Karl Stankiewitz ein Buch über Karl Valentins Fotosammlung sogenannter "Münchner Originale" herausgegeben. Bilder manchmal kurioser Charaktere, aber öfter noch von im besten Sinne eigenartigen Menschen, die unverwechselbar waren und dabei in ihrer ureigenen Art doch typisch münchnerisch.

Ein Münchner Original, das keines sein will

Im Grunde genommen ist auch Karl Stankiewitz so ein "Münchner Original", auch wenn er das selbst bestreitet. Aber wenn man ihn so nennen wolle, sei's drum. "Wenn man so alt wird und so viel gemacht hat wie ich, dann kriegt man alle möglichen Attribute aufgehalst."

Geboren ist Karl Stankiewitz, man mag es kaum glauben, 1928 in Halle in Sachsen-Anhalt. Aber gut, auch die Mutter des Urmünchners Karl Valentin war Sächsin. Stankiewitz kam 1937 als Bub nach München. Die Eltern waren geschieden. Mit seiner Mutter zog er 1941 in eine Wohnung im Münchner Stadtteil Lehel, in der er heute noch lebt.

Bei der Abendzeitung von Anfang an dabei

München gehört sein Herz. Mit dem Titel "Weltstadt mit Herz" kann er dagegen weniger anfangen. "Ich habe mich immer hämisch darüber ausgelassen", so Stankiewitz, "ich habe München immer als ganz normale Stadt wahrgenommen. Millionendorf – das war passend!"

Noch so ein Attribut, das man Karl Stankiewitz "aufgehalst" hat, wie er es lakonisch ausdrückt: einen "Chronisten Münchens" nennt ihn nun die Jury des Ernst-Hoferichter-Preises. Weil Stankiewitz ein Journalistenleben lang über die bayerische Landeshauptstadt geschrieben hat. Für die SZ, den Spiegel und allein für die "Münchner Abendzeitung" fast ein Dreivierteljahrhundert. Er war Mitarbeiter der ersten Stunde, 1948, bei der Gründung des Blattes. Und stellte seine Tätigkeit dort erst im vergangenen Herbst ein. "Es war einfach die Art von Schreibe, die nicht ganz so hoch war wie bei einigen anderen Zeitungen, aber doch genügend hoch, um mich zu reizen", sagt Stankiewitz im Rückblick.

München '68: im Rückblick die aufregendsten Jahre

An der Wand in der Wohnung von Karl Stankiewitz hängen AZ-Plakate aus Zeitungskästen, die Serien von ihm ankündigen. "München geht baden" oder "Frisch, frech, frivol – Münchens Fasching früher". Später wurden aus den Reihen und Reportagen immer öfter Bücher. Es gibt kaum ein Phänomen oder Stück Stadtgeschichte, mit dem sich Stankiewitz nicht befasst hätte. Er schrieb über Minderheiten in München, den Stachus als Keimzelle der Münchner Modernität und, eh klar, auch über das Studentenrevolten-Jahr 1968, die für ihn aufregendste Zeit überhaupt.

Von einer "Umbruchszeit" spricht er im BR-Interview, und ja, auch von einer "Zeitenwende". "Da war einfach so viel los hier, nicht nur Diskussionen. Im Gegenteil: Es war die Zeit der Happenings und von Flower-Power. Auch die Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele begannen. Es war ein entscheidendes und interessantes Jahr."

Münchner Bürger von Welt

1972 präsentiert sich München weltoffen. So wie es auch Karl Stankiewitz stets war: allem Neuen gegenüber aufgeschlossen, liberal. Immer wieder drängte es ihn daher ins Ausland. Eine stattliche Zahl an bunt gemusterten Porzellantellern an einer der Wohnungswände, jeder mit der Aufschrift seines Herkunftslandes versehen, zeugt von vielen Reportage-Reisen. Die Teller habe er nie gezählt, sagt er, die Länder dafür schon: 66 waren es. "Also es könnten so viel Teller sein. Es ist so ein bisschen eine Übersicht über die Welt, wie ich sie kenne."

Man kann Karl Stankiewitz mit Fug und Recht einen Münchner Bürger von Welt nennen. Einen, zu dem ein Spruch des früheren Intendanten der Münchner Kammerspiele, Johan Simons, perfekt passt: Wer die Welt nicht kenne, kenne sein Dorf nicht. Und wer sein Dorf nicht kenne, die Welt nicht.

Wenn schon kein Original, dann doch ein Unikat!

Karl Stankiewitz kennt das Millionendorf München in- und auswendig, weiß ebenso genau Bescheid über die viel gerühmte Münchner Gemütlichkeit in der vermeintlich guten alten Zeit wie über die Gentrifizierung von heute, die dafür sorgen dürfte, dass die in kleinen Reservaten noch zu erlebende Gemütlichkeit doch einmal gänzlich aussterben wird. Eigentlich kaum zu glauben: Da hat ein Mensch die komplette Münchner Nachkriegsgeschichte journalistisch begleitet. Das macht Karl Stankiewitz, wenn schon nicht zum Münchner Original, so doch zum Unikat.

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