In vielen Ländern der Welt haben die Einschränkungen der Religionsfreiheit in den vergangenen Jahren zugenommen. Christen sind davon besonders betroffen. Das ist auch Thema auf der derzeitigen Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Dresden.
Mitte Februar sind sechs koptische Christen in Libyen als Geiseln festgenommen worden, das ägyptische Außenministerium forderte ihre Freilassung. Im Januar haben jüdische Extremisten Grabsteine auf dem evangelischen Friedhof in Jerusalem verwüstet. In Myanmar predigt ein nationalistischer Mönch Hass und sät Misstrauen gegen Muslime: Ihre Religion sei böse, blutrünstig und unmenschlich. Solche und ähnliche Meldungen aus aller Welt gibt es fast täglich.
Zahlen von Open Doors sind umstritten
Das freie Hilfswerk Open Doors, das den Weltverfolgungsindex herausgibt, hat in seiner jüngsten Erhebung vom Januar festgestellt, rund 360 Millionen Christen in mehr als 70 Ländern würden bedroht. Allerdings sind diese Zahlen schwer nachprüfbar und werden von den Amtskirchen so nicht bestätigt.
In 56 Ländern weltweit sind laut einem Bericht der Bundesregierung menschenrechtswidrige Gesetze in Kraft, so dass vor allem religiöse Minderheiten ihren Glauben nicht frei ausleben können. Als weltweit zahlenmäßig größte Religionsgemeinschaft seien Christen davon besonders betroffen, sagt Frank Schwabe, Beauftragter der Bundesregierung für Religions- und Weltanschauungsfreiheit. "Das hat schon etwas mit der großen Zahl von Christinnen und Christen weltweit zu tun, aber natürlich auch mit der Entwicklung von religiösem Extremismus, im Zusammenhang von Islamismus oder auch einem nationalen Hinduismus, wie wir ihn zum Beispiel in Indien sehen."
In Indien lebte lange Jahre Frater Dominic Emmanuel von den Steyler Missionaren. Er weiß aus seiner Arbeit in Projekten für das katholische Hilfswerk missio, indische Nationalisten würden mit falschen Anschuldigungen versuchen, den Ruf der Christen zu beschädigen – etwa mit der Behauptung, sie würden mit Geld oder Gewalt versuchen, Menschen zu bekehren. Dabei bliebe es aber nicht. Rechtsradikale würden Gebete in kleinen Hauskirchen stören oder die Menschen dort attackieren.
Die beiden großen Kirchen in Deutschland legen im "Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit" regelmäßig eine genaue Beschreibung der Situationen von Christen in unterschiedlichen Ländern vor, der nächste Bericht soll im März erscheinen.
Bischofskonferenz macht bewusst keine Angaben zur Statistik
Wie viele Christen unter Diskriminierung und Verfolgung leiden, dazu möchte die Bischofskonferenz auf Anfrage aber bewusst keine Angaben machen. Es gehe nur um die "qualitative Beschreibung von Situationen", heißt es aus dem Sekretariat der Bischofskonferenz, auch auf Länder-Rankings werde deshalb bewusst verzichtet. Die katholischen Bischöfe verweisen darauf, dass die "Kommission Weltkirche" der Bischofskonferenz nahezu jährlich "Arbeitshilfen" herausgebe, in denen die dramatische Situation der Christen in einem Schwerpunktland genau beschrieben werde, 2021 war das der Vietnam.
Für die katholische Kirche in Deutschland sei die Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen ein wichtiger Teil ihrer weltkirchlichen Arbeit. "Diese umfasst konkrete Hilfe für diskriminierte Christen ebenso wie politische Gespräche und Öffentlichkeitsarbeit sowie selbstverständlich das Gebet: Am 26. Dezember – dem Tag des heiligen Stephanus – wird jedes Jahr der Gebetstag für verfolgte und bedrängte Christen begangen", schreibt die Deutsche Bischofskonferenz auf BR-Anfrage. Deshalb sei 2003 die Initiative "Solidarität mit verfolgten und bedrängten Christen in unserer Zeit" ins Leben gerufen worden. Über die katholischen Hilfswerke werden die betroffenen Kirchen finanziell unterstützt.
Verfolgung wegen des Glaubens nicht nur bei Christen
Auch der "Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit" verzichtet weitgehend auf Zahlen sowie Länder-Rankings. Stattdessen hängen dem Bericht "Länderkapitel" an, in denen die Menschenrechtslage in 30 Ländern nach alphabetischer Sortierung ausführlich beschrieben wird, darunter sind China, Nordkorea, Indien, Iran, Myanmar oder Nigeria. Grundsätzlich lasse sich weltweit ein Trend zu vermehrten Einschränkungen des Menschenrechts auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit erkennen.
Die Bundesregierung verweist auf einen Bericht des in Washington sitzenden Pew Research Center, nach dem von insgesamt 52 Regierungen einer oder mehreren Religionsgemeinschaften "hohe" oder "sehr hohe" Einschränkungen auferlegt werden. Dabei betrifft die Verfolgung aufgrund des eigenen Glaubens natürlich nicht nur Christen. In Ländern wie in Myanmar oder China werden Muslime noch stärker als Christen dabei eingeschränkt, ihren Glauben zu leben. In einigen Ländern werden sogar Atheisten aufgrund ihrer nichtreligiösen Weltanschauung verfolgt.
Evangelische Kirche beklagt "aufgeheizte Atmosphäre" in Israel
Die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beklagt vor allem in Israel eine "aufgeheizte Atmosphäre" gegenüber Christen. "Das Gefühl, hier in einer besonderen Unruhe zu leben, ist in den letzten Wochen schon deutlich gestiegen", sagte der Theologe Joachim Lenz, der seit 2020 Jerusalemer Propst ist. Anfang Januar hatten jüdische Extremisten Grabsteine auf dem evangelischen Friedhof in Jerusalem verwüstet. Vergangene Woche hatte ein jüdischer Amerikaner ein Kruzifix in einer Kirche an der Via Dolorosa in Jerusalem zerstört.
In den letzten Monaten seien die Unruhen im Heiligen Land insgesamt schlimmer geworden, betonte Lenz. Die Anzahl der Getöteten sei sowohl auf palästinensischer als auch auf israelischer Seite auf ein erschreckend hohes Niveau gestiegen und viel höher als in den vergangenen Jahren, sagte Lenz. Grund dafür sei ein "Klima der Gewalt", das von beiden Seite propagiert werde. Viele, darunter auch israelische Menschenrechtsorganisationen, sähen den Machtwechsel in Israel und die Rechtsaußen-Regierung von Benjamin Netanjahu als mitverantwortlich für das aufgeheizte Klima an.
Experte: Christen können in Arabischen Emiraten frei beten
Und dennoch gibt es auch Positives zu berichten, sagt Ulrich Pöner, Leiter des Bereichs Weltkirche und Migration bei der Deutschen Bischofskonferenz. Es gebe Länder, in denen die Situation für Christen besser geworden sei. "In den Vereinigten Arabischen Emiraten sind die Christen mittlerweile ziemlich frei. Die Menschen können in Kirchen zusammenkommen, können da beten." Allerdings dürften sie nicht die einheimische Bevölkerung zu ihren religiösen Events dazunehmen. Aber, so Pürner: "In den ganzen Golfstaaten ist es möglich geworden, dass Christen jedenfalls eine nicht unbeträchtliche Kultfreiheit genießen."
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