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Die Schriftstellerin Catherine Millet wird 70

Die Schriftstellerin Catherine Millet wird 70

Sie bekennt, über 1000 Liebhaber gehabt zu haben. Von denen erzählte sie in ihrem Roman: „Das sexuelle Leben der Catherine M“. Die französische Schriftstellerin Catherine Millet wird heute 70. Von Martina Zimmermann.

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

Ihr Bestseller erscheint 2001 und wird in 47 Sprachen übersetzt. Dass Catherine Millet ohne jedes Tabu von ihrem Sexleben mit unzähligen Partnern und Gruppensex erzählt, wird zum handfesten Literaturskandal. Das Magazin „L’Obs“ hält das Werk damals für „repetitiv“ und beklagt die „präzisen Anatomiebeschreibungen“, verbunden mit „einer Spur Aerobic“. Die Pariser Tageszeitung „Le Monde“ beurteilt das Werk hingegen als „sehr gut geschrieben und absolut verblüffend“. Catherine Millet will Geheimes öffentlich machen: 


"Ich bin offensichtlich jemand, der kein Geheimnis hat," lacht sie in einem Gespräch mit dem Radiosender France-Culture und bekennt: "Ich war ein sehr diskretes kleines Mädchen, weil ich mich anders fühlte als meine Familie. Wie alle Kinder in einer solchen Lage zog ich mich zurück und traute mich nicht, mich den anderen zu öffnen. Ich glaube, ich war damals schon davon besessen, meine geheime Welt zu enthüllen. Damals ging es um banale Geschichten der Kindheit, um nichts Sexuelles."


Kunst steht immer im Zentrum


Ihre Bücher sind nach eigener Aussage faktisch deskriptiv und basieren auf genauer Beobachtung, das gilt auch für den Roman „Traumhafte Kindheit“ über ihre Kindheit in den Nachkriegsjahren mit dem Vater, einem Fahrlehrer und der Mutter, die Selbstmord begeht. Schon vor ihrer literarischen Karriere ist die Schriftstellerin bereits eine etablierte Kunstjournalistin. Ihre Leidenschaft für Kunst löst ein Besuch in der Tate Gallery in London aus, als sie 17 ist. Ab 1968 wird sie Kritikerin der Wochenzeitschrift „Lettres françaises“ und macht sich schnell einen Namen. 1972 gründet sie eine Kunstrevue, 1971 und 1977 ist sie Kommissarin der Pariser Kunst-Biennale . Seit dreißig Jahren veröffentlicht sie regelmäßig eine Bestandsaufnahme der zeitgenössischen Kunst in Frankreich. 


Im Rahmen der MeToo-Debatte zeigt sich Catherine Millet erneut als streitbare Person. Am 9. Januar dieses Jahres unterschreibt sie gemeinsam mit Catherine Deneuve und 100 anderen Frauen einen offenen Brief in Le Monde, verteidigt „die Freiheit zu belästigen“ als „unentbehrlich für die sexuelle Freiheit“. Die Folge: Ein Sturm der Entrüstung.


"Unsere Gegner übertreiben," sagte Millet daraufhin im französischen Radio. "Sie und ihre Mitstreiterinnen hätten ganz einfach das sagen wollen, was sie von vielen Frauen um sie herum hörten: Die verstanden nicht die Aufrufe zur Zensur von männlichen Gesten und auch nicht deren Denunzierung in den sozialen Netzwerken. Viele Frauen würden solche Gesten gar nicht als kriminell empfinden."


Die Sicht ist trüber geworden


Im Dezember hat sie in einer Sendung auf France Culture noch bedauert, nie vergewaltigt worden zu sein. Nun distanziert sie sich immerhin von Ex-Pornodarstellerin Brigitte Lahaye, die behauptet, man könne während einer Vergewaltigung einen Orgasmus haben: "Brigitte hat für sich gesprochen, viele Unterzeichnerinnen sind damit nicht einverstanden. Aber man darf auch nicht vergessen, dass es Sado-Masochismus gibt, doch da sind die Partner einverstanden."


Das geplante Gesetz gegen sexuelle Belästigung hält Catherine Millet für unnötig. Ihre Bekenntnis zur freien Liebe konnte vor bald zwanzig Jahren noch als mutig, vielleicht sogar als progressiv und emanzipatorisch interpretiert werden. Mit den Jahren ist ihre Sicht trüber geworden.