Szene aus "Broker" von Hirokazu Koreeda
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Szene aus "Broker" von Hirokazu Koreeda

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"Broker": Der neue Film von Hirokazu Koreeda

Er ist der große Humanist unter den Autorenfilmern: Dafür gewann Hirokazu Koreeda sogar schone eine goldene Palme. "Broker" zeigt ihn wieder in Bestform. Sein neuer Film ist eine zärtlich-lustige Studie über das Bedürfnis nach Halt im Leben.

Nach oben, die steilen Treppen hinauf, durch Regen und Dunkelheit, dem vage Hoffnung versprechenden Licht einer Kirche entgegen: Für die Südkoreanerin, die zu Beginn der Tragikomödie "Broker" durch die schlafende Großstadt Busan irrt, gibt es keinen anderen Ausweg. Die junge Mutter sucht Schutz – nicht für sich, sondern für ihr Neugeborenes.

Am unteren Ende der sozialen Skala

Sie bettet ihren Sohn in eine Babyklappe, legt ihm eine Spieluhr zur Seite, deckt ihn zu, wirft einen letzten wehmütigen Blick auf das Kind. Ein intimer Moment. Doch so allein, wie die Frau denkt, ist sie nicht. Sie wird beobachtet – von zwei Männern, die in der Kirche arbeiten und von zwei Polizistinnen, die illegalen Geschäften auf der Spur sind.

Geschickt wie eh und je webt der japanische Regisseur Hirokazu Koreeda in dieser Anfangsszene ein Netz aus Figuren, die sich im Laufe der knapp zweistündigen Filmhandlung immer näher kommen werden – und deren Charaktere so komplex sind wie diese Geschichte über Menschen am unteren Ende der sozialen Skala.

Annäherung verletzter Seelen

Die beiden Männer sind sogenannte Broker: Sie nehmen das Baby an sich, wollen es verkaufen, ihre Schulden bei der lokalen Mafia tilgen. Die Kindsmutter bekommt Wind von der Sache – und schließt sich dem kriminellen Duo an, um sicherzugehen, dass ihr Sohn liebevolle Eltern bekommt.

Das Geschacher der Interessenten ist ebenso absurd wie die erhoffte Verkaufssumme: Zehn Millionen südkoreanische Won sind umgerechnet knapp 7.000 Euro. Geld ist also Nebensache für die Broker. Und das, obwohl sie wenig mehr besitzen als den Kleinbus, mit dem sie – verfolgt von den zunehmend genervten Polizistinnen – von einem geplatzten Deal zum nächsten fahren.

Je länger die Reise dauert, desto mehr gibt die zusammengewürfelte Truppe von sich preis: Der Bus steckt voller verletzter Seelen, die das Gefühl des Verstoßenseins nur zu gut kennen und dem Baby zu einem besseren Leben verhelfen wollen. Doch obwohl die Mauern fallen und das Band zwischen den Männern und der jungen Frau immer fester wird – die Geheimnisse der Mutter sind die dunkelsten und dementsprechend lange dauert es, bis sie die wahren Gründe ihres Handelns verrät.

Eine Studie über das Bedürfnis nach Halt im Leben

Hirokazu Koreeda, der große Humanist unter den Autorenfilmern, führt in "Broker" erneut Menschen zusammen, die weitestgehend unverschuldet auf Abwege geraten sind und denen die Wärme eines klassischen Familiengefüges verwehrt ist. Psychologisch behutsam und mit offenkundiger Nähe zum Melodrama analysiert er, wie sich Wahlverwandtschaften formen und Verbindungen entstehen, die fragile Persönlichkeiten vor dem Zerbrechen bewahren.

Seine metaphernreiche Fabel über scheinbar gewissenlose Menschenhändler beginnt trostlos, entwickelt sich aber zu einer ebenso traurigen wie lustigen, immer zärtlichen und vor allem klugen Studie über das Bedürfnis nach Halt im Leben. Am Ende hat sich der regenverhangene Hoffnungsschimmer aus der Anfangsszene in eine sonnendurchflutete Landschaft gewandelt. So viel Happy End muss erlaubt sein

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