"Man kann mir Briefe unter die Bürotür schieben und man weiß ja, wo ich wohne", so Katharina Wagner auf der diesjährigen Eröffnungspressekonferenz der Richard-Wagner-Festspiele über die Möglichkeiten von Mitwirkenden, sich gegen Sexismus zu wehren. Außerdem gebe es einen Briefkasten im Festspielhaus für anonyme Beschwerden. "Mich betrifft das nicht nur als Festspielleiterin, sondern auch als Regisseurin. Ich habe mich auch gewehrt", so Wagner zur persönlichen Betroffenheit. "Wir gehen mit dem Thema seit Jahren sehr sensibel um."
"Ich habe keine der Damen ausgetauscht"
"Ich habe das zunächst alles gar nicht glauben können", so Verwaltungsratschef Georg von Waldenfels über die Sexismus- und Mobbing-Gerüchte auf dem Grünen Hügel. Er sprach von "ungeheuren Vorwürfen". Es müsse "ohne jeden Zeitverlust" ein "Instrumentarium" geschaffen werden für alle Betroffenen, also ein ordentlicher und diskreter Beschwerdeweg eingerichtet werden.
Am Donnerstagabend habe er mit dem früheren Musikdirektor Christian Thielemann gesprochen, so von Waldenfels. Demnach hatte sich Thielemann, der in diesem Jahr den "Lohengrin" dirigiert, intern darüber beschwert, dass in einer der beiden Kontrabass-Gruppen gleich zwei Musikerinnen neu besetzt waren. Die Festspielleitung sollte diesbezüglich aktiv werden und die Besetzung korrigieren, was Katharina Wagner nach eigenen Worten ablehnte: "Ich habe keine der beiden Damen ausgetauscht, weil ich sie für hervorragende Musikerinnen halte." Thielemann soll sich nach ersten Befragungen in diesem Zusammenhang verbal keineswegs "übergriffig" verhalten haben, wie zunächst kolportiert worden war: "Für mich war wichtig, dass es nach jetzigem Stand keinerlei Beleidigungen gegeben hat", so Georg von Waldenfels.
"Ich hoffe, dass wir abgesichert sind"
Wegen der angespannten Corona-Lage – seit Anfang Juni infizierten sich rund achtzig Mitarbeiter der Festspiele – hatte Katharina Wagner mit "Tristan und Isolde" eine nach eigenen Worten "Back-Up-Inszenierung" in den Spielplan gehoben, mit der eventuelle Vorstellungsabsagen kurzfristig aufgefangen werden sollen. Die Oper kommt ohne Chor aus und ist daher weniger "anfällig" für coronabedingte Ausfälle.
Katharina Wagner: "Dass die Inzidenzen so hoch sind, damit hat keiner gerechnet. Die Nerven strapaziert im engeren Sinne hat es allerdings nicht, denn wir sind vorbereitet. Ich hoffe, dass wir abgesichert sind, wir haben versucht, alle Möglichkeiten zu bedenken. Sollten an Schlüsselpositionen zwei, drei Infektionen entstehen, müssen wir spontan reagieren."
Vom Staatsempfang rät Katharina Wagner ab
Eine Maskenpflicht im Zuschauersaal wird es nicht geben, allerdings wird empfohlen, FFP2-Masken zu tragen. Katharina Wagner zeigte sich sehr reserviert, was den Besuch des zur Eröffnung der Festspiele üblichen Empfangs der Bayerischen Staatsregierung betrifft: "Wir raten unseren Mitwirkenden dringend davon ab, zum Staatsempfang zu gehen. Ich werde mit einer FFP3-Maske sehr kurz hingehen und mich bei den Geldgebern bedanken, aber nur kurz, um ein Infektionsrisiko zu vermeiden."
Geschäftsführer Ulrich Jagels verwies darauf, dass die Karten-Nachfrage trotz allgemein schwieriger Lage der Theater immer noch "deutlich höher" sei als das Angebot. Gleichwohl waren bis unmittelbar vor Beginn der Festspiele noch Karten für viele Vorstellungen im Internet verfügbar, und das, obwohl das Festspielhaus wegen Renovierungsarbeiten nur eingeschränkt nutzbar ist.
"Wir haben immer wieder Rückläufe"
Es sind in diesem Jahr nur 1.771 Tickets pro Vorstellung im Verkauf, statt wie sonst 1.944. Dass trotzdem immer noch Karten angeboten werden, begründete Jagels so: "Wir haben immer wieder Rückläufe, die wir dann in den Sofortverkauf einstellen. Das hat auch mit Corona zu tun, weil Leute absagen. Es lohnt sich also immer, noch einen Blick auf den Online-Ticketshop zu werfen. Einzelkarten könnten auch an der Abendkasse noch zur Verfügung stehen." Durch die Ticketverkäufe sollen rund 13,8 Millionen Euro erlöst werden, etwa zwölf Millionen Euro kommen von den Gesellschaftern der Festspiele.
"Ring-Regisseur" gibt "Entwarnung"
Der Österreicher Valentin Schwarz (33), der in dieser Saison Wagners "Ring" neu inszeniert, versprach, "keine Figur abzuschreiben oder vorzuverurteilen", was angesichts von zahlreichen Untaten in dem Vierteiler eine ehrgeizige Ankündigung ist. Statt Schwarzweiß-Denken solle es viele "Grautöne" in der Personenführung geben. Auf seine viel zitierte Bemerkung angesprochen, er wolle eine Art "Netflix-Serie" auf die Bühne heben, sagte Schwarz: "Entwarnung! Wir stellen keine TV-Show auf die Bühne! Ich spreche hier eher von einer Seherfahrung, nämlich dass wir eine psychologisch fesselnde Familiensaga erleben."
Im kommenden Jahr wird ein neuer "Parsifal" die Festspiele eröffnen, die Regie führt der aus Iowa stammende US-Amerikaner Jay Scheib (52), der mit 3D-Effekten arbeiten wird, weshalb die Zuschauer mit entsprechenden Brillen ausgestattet werden. Dirigent wird der Spanier Pablo Heras-Casado (44) sein, der in Madrid gerade die musikalische Leitung des "Rings" übernommen hat, übrigens trotz Pandemie ohne Abstriche bei der Orchesterbesetzung.

Im Vorfeld der Festspiele gab es offenbar massive Meinungsverschiedenheiten zwischen Dirigent Christian Thielemann und der Festspielleitung.
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