In Bratislava ist vor kurzem die slowakische Nationalgalerie wiedereröffnet worden – nach langen Umbauarbeiten.
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In Bratislava ist vor kurzem die slowakische Nationalgalerie wiedereröffnet worden – nach langen Umbauarbeiten.

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Bratislavas neue Nationalgalerie erklärt Nachkriegsarchitektur

Was tun mit kommunistischer Nachkriegs-Architektur? Bei der Renovierung der Slowakischen Nationalgalerie in Bratislava stand diese Frage im Mittelpunkt. 79 Millionen Euro hat die gekostet, jetzt wurde das Museum eröffnet.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 am Sonntagvormittag am .

Wer ein Museum betritt, kommt fast immer eine eigene Welt. Einen abgegrenzten Kosmos. Fenster gibt es selten. In der neuen slowakischen Nationalgalerie in Bratislava will man das anders machen. Deswegen wurde bei der Renovierung mit viel Glas gearbeitet. Der Blick wird neben den Kunstwerken auch auf die Außenwelt gelenkt.

In den sogenannten Wasserbaracken, in barocken Militärgebäuden aus der Habsburger Zeit, wurden Ziegelwände freigelegt. Schon vom Eingang aus reicht die Sicht bis in den Innenhof und hinüber zum Neorenaissance-Palast aus dem 19. Jahrhundert, der auch zum Gebäude-Komplex der Nationalgalerie am Donauufer gehört. In Bratislava bieten fast nur private Gebäude einen Blick auf den Fluss, nun kommt die Nationalgalerie dazu. Ersichtlich wird das Donau-Panorama auch von der modernen Fassade aus, einer überdimensionierten mehrstöckigen Brückenkonstruktion des Architekten Vladimir Dedecek aus dem Jahr 1977.

Kontroverse Umbaupläne

Die Überbrückung habe von Anfang an Kontroversen ausgelöst, weil sie so radikal in das Ufer-Bild von Bratislava eingegriffen habe, erklärt die Direktorin der Slowakischen Nationalgalerie Alexandra Kusa: "In der Altstadt herrscht immer diese Sehnsucht nach den goldenen Gassen. Außerdem wurde der Architekt Vladimir Dedecek aus unbekannten Gründen zu einem Symbol des Kommunismus. Es war aber ungerecht, denn sein Werk war ziemlich mutig."

Die modernen Ausstellungsräume galten als die großzügigsten in der Slowakei. Sie waren allerdings schnell baufällig und mussten 2001 aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Damals waren in Umfragen 90 Prozent der Bevölkerung für einen Abriss der Fassade. Der sozialistische Kulturpalast Istropolis ist vor einem Jahr nach langer Kontroverse in Bratislava abgerissen worden. Doch im Wettbewerb für die Rekonstruktion der Nationalgalerie konnte sich ein Entwurf durchsetzen, der den brutalistischen Anbau erhalten wollte. Das sei eine große Herausforderung gewesen, erzählt der Architekt Pavol Panak: "Es gibt Anleitungen, wie man mit barocker Architektur oder mit gotischer arbeiten soll. Mit jeglicher altertümlicher. Es existieren aber keine Anleitungen, wie man sich gegenüber Nachkriegs-Architektur der späten Moderne verhalten soll."

Historische Investition

Sieben Jahre hat der Umbau gedauert und 79 Millionen Euro gekostet. Es war die größte Investition in ein öffentliches Gebäude seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1993. Leitgedanke war neben der neuen Transparenz auch Nachhaltigkeit, sagt Direktorin Kusa: "So wie wir einige Ideen von Dedecek recyclen, so recyclen wir alte Materialen – die Lamellen der Brückenkonstruktion haben wir restaurieren lassen und nutzen sie nun für das neue Depotgebäude. Alle Böden sind aus Terrazzo-Fliesen. In die haben wir Travertin-Platten hineinmischen lassen, die früher im Außenbereich lagen.“

Die Nationalgalerie hat deutlich an Ausstellungsfläche gewonnen. Sie beherbergt nun außerdem einen Kinosaal, eine Bibliothek, einen öffentlich zugänglichen Innenhof sowie ein Café und eine Buchhandlung. Darüber hinaus hat das Projekt laut der Museumsdirektorin Kusa für die Slowakei den Beweis erbracht, dass sozialistische Architektur durchaus restauriert werden kann.

Und auch die öffentliche Meinung habe sich mit der Zeit auch geändert, sagt Kusa: "Im Lauf der Zeit ist es gelungen, die Überbrückung zu verteidigen. Zu zeigen, warum sie interessant ist und was diesen Innenraum ausmacht. Und wir haben natürlich auch nachgeholfen – es ist ja unsere Arbeit, die Architektur zu erklären."

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