Was für ein Auftakt zu dieser 49. Internationalen Jazzwoche Burghausen: Eine Fanfare für eine Binsenweisheit! "Was hoch fliegt, muss tief fallen" - Original und Fälschung. Blood, Sweat & Tears, eine der ersten Jazzrock-Bigbands mit sattem Bläsersound über Rhythm & Blues Fragmenten, mit Hippiegrooves und Schmusesongs. Al Kooper, Pianist, Sänger und Miterfinder dieses Genres gründete 1967 in New York Blood, Sweat &Tears. Nach etlichen Erfolgen , unter anderem mit diesem Millionenseller, löste sich die Band auf, verkaufte die Namensrechte und tauchte jetzt in Burghausen an der Salzach als Headliner auf. Was für eine Enttäuschung!
Namenlose Studiomusiker
Natürlich will das Publikum die alten Gassenhauer hören, aber wozu ? Weil diese Erkenntnis so brillant in Musik gegossen ist? „What goes up, must come down?“ Neun hierzulande namenlose Studio– bzw. Sessionmusiker, angeführt vom Teilnehmer des “American Idol”-Talentwettbewerbs Bo Bice, schrammten sich nachgerade gewalttätig durch die ansonsten ja schönen Blood, Sweat & Tears-Nummern, von Lust an Musik keine Spur, dabei hatte alles doch sooo berührend angefangen!
Bukowinische Prinzessin
Aus Berlin kommt die Gewinnerband des diesjährigen, des 10. Burghauser Nachwuchswettbewerbs, die ukrainisch-polnisch-deutsche Gruppe “Leleka”. Ihre Sängerin, die Ukrainerin Viktoria Anton , gleicht einer bukowinischen Prinzessin und zieht das Publikum mit jedem Ton, den sie singt, in ihren Bann.
"Leleka bedeutet Storch, ein Vogel, der die Kinder bringt und neues Leben. Deshalb nennen wir uns so. Wir spielen uralte ukrainische Melodien und wollen denen neues Leben einhauchen." Viktoria Anton
Anrühren, das soll und kann Musik in ihren geglückten Momenten und mit dieser heimlichen Hymne der Hoffnung der ukrainischen Bevölkerung auf baldigen Frieden schafften Viktoria Anton und Leleka das, was Blood, Sweat & Tears vermutlich nicht einmal im Sinn hatten: Stille in der Wackerhalle, wenngleich auch nur für eine Minute des Gedenkens an die Opfer dieses schrecklichen Krieges
"Da hat sich viel verändert. da ist viel Musik dazugekommen, die man landläufig ja nicht zum Jazz rechnet, das war ja schon während der vierziger Jahre so, aber der Jazz hat sich insgesamt ständig erweitert, was man ja auch daran sieht, dass wir bis jetzt bestimmt über 50 Länder durch ihre Musiker nach Burghausen gebracht haben." Joe Viera
Nachwuchstalente aufregender als Hauptprogramm
Joe Viera, Saxophonist und Jazzprofessor aus München. Er ist jetzt 85 und macht noch immer die Ansagen, und wirkt als graue Eminenz in der Auswahljury des Burghauser Nachwuchspreises beratend, sowie als Programmmacher. Kreative Musik, anregende Festivalprogramme leben von Kontrasten, von Reibungen und Kontroversen, weshalb ja auch im nächsten Jahr die 50. Internationale Jazzwoche gefeiert werden kann, was ja keinesfalls so selbstverständlich ist. Es braucht Publikumszuspruch und vor allem Wohlwollen und Geld seitens der Stadt. Woran es in Burghausen nicht mangelt. Selbst die beinahe unverschämt lieblos heruntergerockte Mucke dieses Blood, Sweat & Tears-Abklatschs wurde euphorisch goutiert.
Konsumfreundliches aus Kamerun
Interessant ist, dass seit einigen Jahren der programmatische Rahmen – der Nachwuchswettbewerb am Dienstag zum Festivalauftakt, sowie der „Next Generation Day“ zum Abschluss am Sonntag zunehmend aufregendere Projekte zutage fördert, als das Hauptprogramm. Hier wird abgehangenes, bewährtes, konsumfreundliches präsentiert: Afrikanisch-karibisches von Manu Dibango aus Kamerun, zeitgenössisch Hip Hop affines von der Jazzrausch Bigband aus München, Blues aus North Carolina und - beinahe als Wink mit dem Zaunpfahl - die Gruppe „Nojazz“ zur Dancenight am Samstag. Diese Mischung funktioniert seit nunmehr bald 50 Jahren. Was will man mehr?