Der 31 jährige Fotograf Martin Waldbauer fotografiert die Welt, aus der er kommt: Porträts von Holzfällern, Großaufnahmen von Händen und umgefallenen Bäumen. Aber in der Verfremdung durch das Schwarz-Weiß, auf altes Fotopapier aufgezogen, entrückt er diese Welt ins Zeitlose und zeigt, wieviel Würde in einem abgearbeiteten Menschen steckt, oder wie magisch ein kaputtes Waldstück sein kann.
Hauzenberg. Bayerischer Wald. Es ist kalt, neblig und es regnet. Martin Waldbauer steht unter einem Baum und schaut auf ein kaputtes Waldstück. Vor drei Jahren wütete hier ein Orkan, entwurzelte und knickte fast alle Bäume. Seitdem kommt Martin Waldbauer hierher und fotografiert. Nebel und Bäume: "Die Stimmung ist super. Das ist jetzt eine Übergangsphase. Der Nebel zieht jetzt langsam weg, es wird wärmer, der Regen hat aufgehört, es hat einfach so was Magisches. Man muss jetzt schauen, dass man das zügig macht, sonst ist die Stimmung vorbei."
Das richtige Gefühl fürs Wetter – und den Zufall
Martin Waldbauer positioniert seine 30 Kilo schwere, analoge Großformatkamera, wirft einen schweren Samtvorhang über sich und die Kamera. Der Regen wird schwächer, der Nebel um die vereinzelten schwarzen Baumstämme leuchtet plötzlich. "Meine Arbeit lebt viel vom Zufall. Wenn ich aufsteh' und schau aus dem Fenster und seh', das Gebiet ist im Nebel und mit einer gewissen Ästhetik bedeckt, dann fahr ich rauf und pack die Kamera ein. Ich bin aber auch schon 20 Mal heimgefahren und hab kein Ergebnis heimgebracht."
Martin Waldbauer: Von der harten Arbeit gezeichnete Hand eines Waldarbeiters
Martin Waldbauer ist ein junger Mann, erst 31, aber er macht Fotografien wie aus einer vergangenen Zeit. Seine Bilder zeigen: kaputte Baumstämme und zerfurchte Gesichter, die ernst in die Kamera schauen. Großaufnahmen von Händen, die voller Schrunden und Risse sind und ein Leben erzählen. Es ist eine archaische Welt, in der es wenig Worte und viel Arbeit gibt. Es ist die Welt, aus der er selbst kommt, in der er lebt.
Ernst und Verletzlichkeit
Waldbauer macht 50 mal 60 cm große Handabzüge, es grisselt darauf, und manchmal hat das rund 80 Jahre alte Fotopapier selbst Kratzer und Risse. Auch das darf sein. Verwitterte Haut, Ernst, Verletzlichkeit. Es ist eine andere Schönheit. "Es gibt wunderbare Bilder von schönen Menschen, aber was ist schön? Für mi gibt’s nix Schöners als was, was gelebt hat. Weil Leben is' was Vergängliches. Und a Vergänglichkeit, die spürt jeder von uns."
Nahe der tschechischen Grenze hinter Cham trifft Martin Waldbauer zwei alte Holzfäller: Karl und Helmut sind jenseits der 80, haben ihr Leben im Wald verbracht, bei Wind und Wetter. Haben anfangs mit Handsägen und Axt, später mit Motorsägen Bäume gefällt. Es gibt nicht mehr viele, die noch leben, solche vom alten Schlag. Bevor die Harvester-Holzerntemaschinen kamen.
Der Fotograf Martin Waldbauer
In den Porträts zeigt uns Martin Waldbauer, was er sieht. Ernst und still blicken Helmut und Karl aus den Bildern, sie wissen, was Kälte bedeutet und körperliche Erschöpfung. Aber sie wissen nicht, wie schön sie dabei sind: in ihrer Wahrhaftigkeit, mit ihren Bartstoppeln, zerfransten Hüten und wilden Augenbrauen.
Was ist schon schön? In der Welt des Fotografen Martin Waldbauer kann es ein alter Cordhut sein, ein kleiner Riss am Fingernagel, eine schäbige Strickjacke. Vielleicht ist es ja das: Hier will kein Mensch und kein Ding etwas anderes sein als das, was es ist.
Das Porträt des Fotografen Martin Waldbauer läuft Donnerstag, 21.122:45 Uhr im Kulturmagazin "Capriccio" im BR Fernsehen, danach in der Mediathek.
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