"Bei uns Christen kommt die Tradition des Schenkens vom Heiligen Nikolaus", weiß Stephan Alof, Kirchenpfleger in der katholischen Pfarrei St. Maximilian in München. Bischof Nikolaus soll einst drei Mädchen durch Gold-Geschenke vor der Prostitution gerettet haben. Diese Legende wurde durch Beschenken von Kindern mit Nüssen, Äpfeln und Gebäck im Brauchtum nachvollzogen.
Nikolaus und Weihnachtsmann
Später lehnte Martin Luther die Heiligen in der Reformation ab und damit auch den Nikolaus. Luther übertrug das Schenken auf Weihnachten. Wenn Gott den Menschen seinen Sohn schenkt, den Erlöser, dann können sich die Menschen aus Freude darüber beschenken – so Luthers Gedanke.
Schenken ist außerdem ein Ausdruck christlicher Nächstenliebe. "Wenn ich mir Gedanken mache, worüber sich der andere freut, dann verschenke ich mich auch ein Stück weit selbst", meint Kirchenpfleger Alof. Besonders gut findet er persönlich Zeit-Geschenke, etwa Zeit für Freunde, Zeit für einen Krankenbesuch, Zeit für ehrenamtliches Engagement.
Muslime schenken zum Ramadan-Ende
"Wir schenken uns zum Ende der Fastenzeit etwas, also zum Ramadan-Fest", erzählt die Münchnerin Seda Özkan. Im Mittelpunkt stehen die Kinder, die dann von den Älteren Süßigkeiten und Geld bekommen.
Aber auch unabhängig von festen Anlässen spielt die Idee des Schenkens im Islam eine wichtige Rolle. Wer dem anderen etwas schenke, der beweise ihm seine Freundschaft und zeige ihm Respekt, so sei es von Prophet Mohammed überliefert, sagt Seda Özkan. Wie groß das Geschenk sei, spiele dabei keine Rolle. Auch ein Gebet oder Essen könne ein Geschenk sein.
Die Muslimin lebt seit ihrer Geburt in München, ist also auch mit den christlichen Weihnachtsbräuchen vertraut. "Es ist schön, wenn jetzt alles geschmückt ist". Auch wenn sie kein Weihnachten feiert, stellt sie daheim einen Weihnachtsbaum auf und besorgt Geschenke für ihre Tochter und ihre Mutter. Die große Familienfeier findet erst zu Silvester statt. "Dann kommen alle zusammen, und das ist ja das Wichtigste!" Ihren christlichen Nachbarn bringt sie zu Weihnachten Süßigkeiten vorbei, für sie ein Zeichen der Wertschätzung.
Juden schenken zu Chanukka, zu Purim und zu Pessach
"Ich wünsche mir zu Chanukka ein neues Fahrrad und Ohrringe", erzählt Rahel. Die Jugendliche ist Mitglied der Liberalen Jüdischen Gemeinde Beth Shalom München. Das Lichterfest Chanukka wird weltweit dieses Jahr ab dem 18. Dezember gefeiert. Zur Erinnerung daran, dass Juden im zweiten Jahrhundert vor Christus den Tempel Jerusalems von den Griechen zurückerobert haben.
Das Fest dauert acht Tage, deswegen wird auf einem achtarmigen Leuchter jeden Tag eine Kerze mehr angezündet. Geschenke gibt es außerdem noch an Pessach und an Purim.
Beschenkt werden im Judentum bei religiösen Festen nur die Kinder, traditionell mit Süßigkeiten und Geld. Dazu dreht Rahel während Chanukka mit ihrer Schwester gerne den Dreidel, einen Holzkreisel. Je nachdem, auf welcher Seite dieser liegen bleibt, bekommt man Münzen aus Schokolade oder muss welche abgeben.
Dass Rahel zusätzlich große Geschenke bekommt, ähnlich wie ihre christlichen Freundinnen, hat mit der liberalen Einstellung der Eltern zu tun. "Viele unserer Gemeindemitglieder leben in christlich-jüdischen Familien", erklärt Rahels Mutter Ruth Zeifert. "Deswegen finde ich es auch wichtig, verschiedene Traditionen zu leben."
Schenken wird in allen Religionen mit Spenden verbunden
Neben den Süßigkeiten bekommen jüdische Kinder traditionell an religiösen Feiertagen auch Geld von der Familie. "Das Geld soll sie daran erinnern, davon etwas abzugeben an Bedürftige", sagt Eva Ehrlich, Vorsitzende der Liberalen Jüdischen Gemeinde München. So gehöre es zur Erziehung nach jüdischen Werten dazu, dass an Festtagen auch die Armen bedacht werden. Erst dann drücke das Schenken Nächstenliebe aus, sagt die Vorsitzende.
Im Islam ist das Spenden an Bedürftige eine religiöse Pflicht, die auch im Koran verankert ist. Als Zakat wird ein Anteil von 2,5 Prozent des Vermögens abgegeben. Daneben gibt es auch das freiwillige Spenden und Schenken an religiösen Festen, das der Beziehungspflege dient, zwischen Familien, Freunden, Nachbarn.
Ähnlich ist es im Christentum. "In der Weihnachtszeit finden die großen Spendenkampagnen der christlichen Hilfswerke Adveniat und Brot für die Welt statt", sagt Andreas Renz, Leiter des Fachbereichs Dialog der Religionen in der Erzdiözese München und Freising. Wer schenkt, der will dem Nächsten eine Freude machen, und dazu gehöre auch, Gutes zu tun, als Zeichen der Nächstenliebe.
Auch wenn die Anlässe im Islam, im Judentum und im Christentum unterschiedlich sind: Schenken spielt in allen Religionen eine große Rolle, so Renz. Wer dankbar seinen Wohlstand mit dem anderen teilt, der bleibt auch beschützt vor Habgier und Geiz, so die Idee dahinter.
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