1.500 Euro hat Ahmad Popal schon bezahlt für seine Reise nach Mekka, die er gemeinsam mit seinem Bruder unternehmen wollte. Der Flug, mehrere Unterkünfte und der Reisebegleiter waren schon organisiert. Für den 29-jährigen Imam sollte die Pilgerfahrt Hadsch der Höhepunkt des Jahres werden. "Es hätte jetzt schon angefangen, wir wären mitten im Geschehen, mitten im Leben der Pilgerreisenden", sagt Popal.
Doch Ahmad Popal ist nicht in Mekka, sondern in seiner Wohnung in München. Der Hadsch wird dieses Jahr aufgrund der Corona-Pandemie ohne ihn und seinen Bruder und ohne Millionen anderer Pilger aus der ganzen Welt stattfinden. Denn Saudi-Arabien hat beschlossen, nur eine begrenzte Anzahl von Pilgern mit Wohnsitz im eigenen Land an der Wallfahrt teilnehmen zu lassen.
Hadsch im Zeichen der Pandemie
Eine drastische Maßnahme, wenn man bedenkt, dass in anderen Jahren rund zweieinhalb Millionen Muslime aus der ganzen Welt zum Hadsch nach Mekka kommen. Selçuk Doğruer organisiert die Pilgerreisen für DITIB, den größten islamischen Moscheeverband in Deutschland. Normalerweise organisiert sein Verband deutschlandweit rund 3.000 Reisen nach Mekka.
Die Pilgerfahrt ist eine der fünf Säulen im Islam, die einmal im Leben Pflicht für jeden Muslim ist. Dort treffen sich Menschen aus verschiedenen Ländern der Welt und es ist ein wichtiges Ereignis im Leben." Selçuk Doğruer
Doch da rund um die heilige Stätte in Mekka normalerweise tausende Menschen auf engstem Raum zusammen kommen ist der Hadsch in Zeiten von Corona unmöglich ohne Risiko durchzuführen. "Es war uns relativ früh klar, dass das in diesem Jahr nicht stattfinden kann." Bis vor Beginn der Corona-Krise gingen bei Selçuk Doğruer schon tausend Buchungen ein, die inzwischen storniert wurden.
Verständnis und Enttäuschung
Die allermeisten Gläubigen hätten für die Corona-bedingte Absage ihrer Pilgerreise Verständnis, erzählt Doğruer. Für einige sei es aber eine große Enttäuschung gewesen. "Es gibt Menschen, die krank sind und vielleicht nächstes Jahr nicht mehr hinreisen können. Für sie ist das natürlich ein Schicksalsschlag."
Die Bürger Saudi-Arabiens, die in diesem Jahr nach Mekka reisen dürfen, können ihre Pilgerfahrt nur mit Mundschutz durchführen und müssen die vorgegebenen Sicherheitsabstände einhalten. Ahmad Popal aus München beneidet sie trotzdem um die spirituelle Erfahrung der Hadsch. "Wenn ich die Bilder sehe, dann habe ich die Hoffnung, dass ich irgendwann zu diesen Menschen gehöre. Wann sich für mich das nächste Mal die Möglichkeit ergibt, weiß ich aber nicht."
Auch, ob er die bereits bezahlten 1.500 Euro wieder bekommt, ist noch unklar. Fest steht, dass der Hadsch für den Münchner Muslim und seinen Bruder ein Lebensziel bleibt.
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