Ganz langsam, Schicht für Schicht, taucht die graue Scheibe aus dem 3D-Drucker auf. Mit jeder Schicht, die der Drucker aufträgt wird sie etwas größer, treten die Details immer mehr hervor. Drei Stunden dauert das Ganze. Der runde Rohling ist aus Wachs und dient später als Form für den Guss des Schmuckstücks. Doch davor muss er noch in ein Reinigungsbad und unter UV-Licht aushärten. Erst dann kann die Bayreuther Goldschmiedin Julia Förster-Oetter eine Silikonform für den Guss herstellen.
Das Amulett misst etwa fünf Zentimeter im Durchmesser und ist drei Millimeter stark. Gegossen wird es aus Silber und bekommt danach einen Goldüberzug. Das Gießen übernimmt ein Fachbetrieb in Pforzheim, danach kommt es zur weiteren Verarbeitung wieder zu Julia Förster-Oetter zurück. Etwa 50 Arbeitsstunden wendet die Goldschmiedin für ein Amulett auf.
"W" wie Wotan oder Wagner
Wotan trägt das Amulett prominent auf seiner Brust in den Opern "Rheingold" und "Die Walküre" von Richard Wagner. Für die Neuinszenierung des "Ring des Nibelungen" im vergangenen Jahr waren die Verantwortlichen im Bayreuther Festspielhaus auf der Suche nach einem Goldschmied, der das Amulett herstellen könne. Sie landeten bei Julia Förster-Oetter, die ihre Werkstatt im Bayreuther Stadtteil St. Georgen hat. Andy Besuch, der Kostümbildner des "Rings" sei dann zu ihr gekommen und habe ihr seine Vorstellungen mitgeteilt, erzählt Julia Förster-Oetter.
In der Mitte des Amuletts ist ein geschwungenes "W" zu sehen. "W" wie Wotan, aber es erinnere auch ein wenig an das Wagner "W", wie es vor dem Festspielhaus aus Blumen gepflanzt sei, sagt die Goldschmiedin. Nach außen hin endet es in sternförmigen Ecken mit kleinen Kreisen und Linien. In den Opern "Rheingold" und "Walküre" sei das Amulett deutlich an Wotan zu sehen, freut sich Förster-Oetter. Es werde ihm auch mal abgerissen, deswegen habe die Kette einen Magnetverschluss.
Trotz aller Technik ist das meiste Handarbeit
Das Amulett sei viel zu kleinteilig und zu verziert, um es in herkömmlicher Technik herzustellen, erklärt Julia Förster-Oetter. Das hätte nämlich bedeutet, nach der handgezeichneten Modellzeichnung die einzelnen millimeterkurzen Teile zeitaufwändig auszusägen, zu biegen und auf eine Messingscheibe zu löten. Aus diesem Rohling wäre dann die Gussform gebaut worden. Dank digitaler Technik und dem 3D-Drucker gehe das nun schneller, materialsparender und damit kostengünstiger. Trotzdem bleibe noch viel Handarbeit übrig. Sie müsse die Grate entfernen, Kanten rund feilen, mattieren und polieren, erklärt die Goldschmiedin in der langen, hellbraunen Lederschürze.
Dafür hat sie in ihrer Werkstatt Geräte, die sowohl an eine Zahnarztpraxis erinnern, als auch an eine Schmiede: filigrane Bohrer, Trennjäger und Schleifer. Schwere Prägemaschinen und massive Schraubstöcke mit eingespannten Lehren zum Drahtziehen. Eine andere Maschine mit einem langen Hebel dient dazu, Ringe zu weiten oder enger zu machen. Und natürlich ihr eigentlicher Arbeitsplatz mit dem abgefeilten, vorspringenden Holzblock und dem Ledersack darunter, in dem Schleifpapiere unterschiedlicher Körnung liegen und in dem die Späne vom Feilen, Schmirgeln und Mattieren landen.
Wotans Amulett ist unverkäuflich
Momentan bastelt Julia Förster-Oetter an einem Pin für Herrensakkos mit dem Festspielhaus als Motiv. Auf dem Bayreuth-Fingerring sind die Stadtkirche und ebenfalls das Festspielhaus abgebildet. Auch die Rohlinge für diese Ringe kommen mittlerweile aus dem 3D-Drucker. Das Wotan Amulett aus der aktuellen Ring- Inszenierung ist jedoch unverkäuflich. Es ist eine Sonderanfertigung für die Bayreuther Festspiele und die haben natürlich auch alle Rechte daran.
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