„Still halten“
„Vielleicht sollten die zwei Männer in Feinrippunterhemden ein großes weißes Tuch über mein Gesicht ziehen, mich in das frische Loch auf dem Friedhof fallen lassen, so dass mein Körper und mein Schädel, von einem dumpfen, aber nicht weniger entsetzlichen Geräusch begleitet, aufprallen.“ (Roman-Zitat)
Eine Frau kommt zur Beerdigung des Vaters in die österreichischen Provinz. Sie ist krank, sie zerfällt, entfremdet von sich und ihrer Herkunft. Was zu ihrer Not führte, die Krankheit, der Tod, gängige Rollenerwartungen an Frauen, Abgründe der Kleinstädter, läßt Jovana Reisinger offen. Für sie ist die namenlose Frau das Medium für einen schonungslos-komischen Blick aufs Spießertum, das von Frauen „Still halten“ fordert.
Preisgekrönt
„Jovana Reisinger gestaltet das Paradox aus Ich-Manie und Ich-Verlust als formbewusste Deformierung“,
schrieb die Jury und lobte die furiose Sprache, das
„Ringen zwischen Abwehr und Annäherung, lichten Momenten, irrlichterndem Humor und rasendem Wahn“. Reisinger „hinterfragt soziale Kälte und verschorfte Rollenzwänge als gesellschaftliche Symptome oder Depression als weiblichen Topos und verkantet Inneres und Äußeres zu einer verwinkelten Textkluft, die die grell-dunkle Schwere mit grantiger Leichtigkeit durchzieht.“
„Wortspiele 18“
Die Preisverleihung an die 28jährige Filmemacherin von der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) war der Abschluss des dreitägigen Lesemarathons mit 18 Autoren/Innen, bei dem das Publikum im Club Ampere drei Tagessiegerinnen kürten: die Wienerin Anna Herzig, die Salzburgerin Mareike Fallwickl und Karosh Taha, die vom irakischen Migranten-Milieu erzählte. Alle zu hören in den „radioTexten“.
Jovana Reisinger: „Still halten“, Verbrecher Verlag 19 Euro