Bildrechte: The Black Rider

Theater an der Rott

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Ballern mit der Disco-Kugel: "The Black Rider" in Eggenfelden

Teufelsspuk und Walpurgnisnacht aus amerikanischer Sicht: 1990 machten Tom Waits und William S. Burroughs aus dem "Freischütz" ein düsteres Drogen-Drama. Am Theater an der Rott jubelte das Publikum über die Groteske. Nachtkritik von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: Die Kultur am .

Vielleicht gehen auf der Bühne ja wirklich viel zu viele Geschichten gut aus - nämlich all diejenigen, die im wahren Leben schlecht enden. "Der Freischütz" zum Beispiel, die populäre romantische Oper von Carl Maria von Weber: Da gibt´s bekanntlich ein Happy End. Der Jägerbursche Max erschießt seine Braut Agathe nicht, obwohl der Teufel seine Hand im Spiel hat und ein ganz böser Schluss nur logisch wäre.

Burroughs ließ sich mit Revolver begraben

Der amerikanische Pop-Poet und Junkie William S. Burroughs dagegen wurde 1951 tatsächlich zum Mörder seiner Frau, obwohl er nur Spaß machte, sozusagen aus Jux und Tollerei: Ein Unfall im häuslichen Bereich, als er versuchte, ihr wie Wilhelm Tell einen Apfel vom Kopf zu schießen. Und wohl auch deshalb konnte sich Burroughs, der übrigens mit seinem Revolver und einem Päckchen Heroin begraben wurde, nur einen düster-makaberen "Freischütz" mit blutigem Ende vorstellen.

Kugel erinnerte an Weihnachtsbaum

So entstand 1990 in Hamburg der "Black Rider", mit der Musik von Tom Waits, dem Text von Burroughs und in der Regie von Robert Wilson. "Freischütz" goes Pop-Art. Seitdem wird die rabenschwarze Groteske viel aufgeführt, viel bejubelt und war auch gestern Abend im Theater an der Rott in Eggenfelden ein großer Publikumserfolg. Statt den üblichen sieben verhängnisvollen Freikugeln brauchten Regisseur Bernd Liepold-Mosser und seine Ausstatterin Karla Fehlenberg nur eine einzige, die verdächtig nach Weihnachtsbaum-Dekoration aussah, allerdings auch viel Ähnlichkeit mit der imposanten Disco-Kugel unter der Decke hatte.

Potenz, Macht, Rausch und Sucht

Wie auch immer: Das glitzernde, runde Ding zog der Teufel aus der Hose, ungefähr da, wo er auch seine Kanone versteckt hielt - die Anzüglichkeit war von der Regie natürlich voll beabsichtigt. Hier ist die Kugel Sinnbild für Potenz, für Macht, für Rausch und Sucht, und der arglose Büroangestellte Wilhelm lässt sich das Zeug gern reinballern. Meister Stelzfuß knausert nicht, bis er kriegt, was er will, nämlich die unschuldige Braut, die hier Käthchen heißt und beim Probeschuss dran glauben muss.

Absurd, bizarr, morbid

Die Moral von der Geschicht´ wird hier sogar satirisch überdeutlich ausgesprochen: Jeder, der mit Marihuana anfängt, endet beim Heroin. Auch diese Irritation ist gewollt. Absurdes, bizarres und morbides mischen sich im "Black Rider" zur modernen Romantik-Fantasie. Die Wolfsschlucht öffnet sich an Stellen, wo der Wald schon lange abgeholzt ist, die Adler flattern durch Lüfte, die von Abgasen vergiftet sind. Viel äußerer Aufwand ist da fehl am Platz, deshalb beschränkt sich das Bühnenbild auf einen Glitzervorhang, ein blau beleuchtetes Podest und die angesprochene Disco-Kugel.

Walpurgnisnacht und mediterranes Flair

Hier führen die Mitwirkenden in den Varieté- und Zirkuskostümen von Michaela Haag ihren Hexentanz auf, ihre Walpurgnisnacht, angetrieben von einer lässigen vierköpfigen Band, die sich "The Talltones" nennt und mit weißen Sommerhüten mediterranes Flair verbreitete. So ließ sich´s trefflich durch den zweistündigen Abend schunkeln, wenn trefflich in diesem Fall nicht so makaber klingen würde. Die Titelrolle des Höllenfürsten übernahm Sebastian M. Winkler - gertenschlank, mit aasigem Blick, sexy Klamotten und einem aparten Hang zum Trompete spielen. Der Mann wird vermutlich noch viele um ihr Seelenheil bringen. Überzeugend auch Markus Achatz als Wilhelm und Carolin Waltsgott als Käthchen, beide mit bravourösen Solo-Nummern. Und auch alle anderen machten ihre Sache hervorragend, mit Sinn für die schräge Komik und den tieferen Sinn dieses amerikanischen Schauerdramas. Der "Black Rider" ist schon mal total schlecht ausgegangen, jetzt muss das Leben nur noch gut werden, und der Stimmung in Eggenfelden nach zu urteilen, waren die Zuschauer in diesem Punkt sehr optimistisch.


Wieder am 7., 12., 13. und 14. Januar.