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"Aufguss" | Foto: Robert Jentzsch

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Bademantel-Blues: Hugo Egon Balder gönnt sich einen "Aufguss"

Bademantel-Blues: Hugo Egon Balder gönnt sich einen "Aufguss"

Boulevard-Theater lebt von Missverständnissen. Und davon gibt es in "Aufguss" reichlich, geht es doch um den Unterschied zwischen Samen- und Geldspende. Fünf Sauna-Gänger reden aneinander vorbei und verlieben sich. Nachtkritik von Peter Jungblut.

Außer jeder Menge Wortspielen und Zweideutigkeiten rund um das Thema Beischlaf passiert nicht viel in "Aufguss". Gut zwei Stunden Anzüglichkeiten, als Höhepunkt ein nackter Hintern - und trotzdem funktioniert dieser Abend in der Komödie im Bayerischen Hof in München wunderbar, dank der herrlich schnoddrigen, ernsthaften und glaubwürdigen Schauspieler, allen voran Hugo Egon Balder:

Der Witz an der ganzen Sache ist ja, dass alles, was passiert, in den Köpfen der Zuschauer passiert. Es gibt ja kein schlüpfriges Wort, es ist ja alles ganz normal, was die Leute dort oben sagen. Aber die Zuschauer wissen halt mehr als wir, wie im Kasperletheater, und das macht halt eine gute Komödie aus.

"Aufguss" spielt im Wellness-Bereich eines Luxushotels, wo drei Männer und zwei Frauen um ihre Beziehungen ringen. Balder ist als alternder Unternehmer und Casanova zu erleben, der eigentlich nur noch seine Ruhe haben will, das aber ungern zugeben möchte.

Missmutiger Waschmittel-Zar

Aus lauter Verzweiflung ringt er sich dazu durch, seine aktuelle Freundin von einem anderen Mann schwängern zu lassen, denn er selbst ist längst sterilisiert. Kinder sind für ihn ein Alptraum, wie eigentlich jede Art von Aufregung, und entsprechend missmutig und gebeugt schlurft Balder als Waschmittel-Zar Dieter Möller vom Solarium über die Trockensauna zum Dampfbad und wieder zurück: Ein bemerkenswert witziges wie melancholisches Rollenporträt!

Ich habe immer gesagt, wenn ich in ein gewisses Alter komme, mache ich wieder das, was ich früher gemacht habe. Ich war sieben Jahre im Schillertheater in Berlin, am Staatstheater, da gab es wirklich nur ernste Rollen. Dann habe ich das nicht mehr gemacht, war zwischendurch eine ganze Weile am Kommödchen in Düsseldorf, ist aber auch schon eine ganze Weile her. Und es ist natürlich ein wahnsinniges Erlebnis, wenn man jeden Abend das Feedback der Zuschauer kriegt.

Die ebenfalls fernsehbekannte Jeanette Biedermann gibt die gelangweilte Gespielin Emilie Niemöller, die nicht so recht weiß, von wem sie schwanger werden will - vom gut gebauten Fitness-Trainer und Mathe-Genie Alain Steinhammer (kernig und tolpatschig: Max Claus) oder vom ungelenken Kinderarzt Lothar Höffgen.

"Bis jetzt ging alles gut"

Madeleine Niesche sorgt als Assistentin Mary, die erst mit "offenen Haaren" wild wird, für die nötige Verwirrung. Leider setzte der Düsseldorfer Autor René Heinersdorff, der auch als Höffgen zu sehen war, allzu platt auf Verwechslungskomik statt auf unterhaltsame Konflikte und schrullige Charaktere. Die Geschichte ist arg dünn, produzierte aber reichlich Lacher. Hugo Egon Balder:

Wenn man in einem Drama spielt, schaut man in betroffene Gesichter. Jetzt weiß man nicht: Warum sind die betroffen? Weil das Stück so dramatisch ist, oder weil ich so beschissen bin? Wenn ich eine Komödie spiele und es lacht keiner, dann weiß ich: Hier ist es etwas schief und das müssen wir ändern. Aber bis jetzt ging alles gut, und das war ein sehr schöner Abend heute, und ich hoffe, es geht so weiter.

Eines stimmt ja wirklich: In der Sauna wurde schon Weltgeschichte geschrieben, warum sollen sich da nicht auch Boulevardkomödien abspielen? "Aufguss" ist temporeich, vom Autor flott inszeniert, hat keine Durchhänger und endet gerade noch rechtzeitig, bevor es langweilig werden könnte. Mit jetzt 67 Jahren macht Hugo Egon Balder übrigens nur noch, was ihm Spaß macht - schön, dass er dabei sein Publikum mitnimmt:

Solange man Theater spielt, bleibt man jung in der Birne, und das ist gut!


Noch bis zum 10. September, täglich 20.00 Uhr.