"Avatar - The Way of Water": Die in Deutschland und in den USA erst Mitte Dezember 2022 angelaufene Fortsetzung von James Camerons Blockbuster ist der bislang erfolgreichste Film des Jahres. Ein Erfolg, der große Schatten wirft: Auf Twitter und anderen Social Media-Kanälen berichten immer mehr Zuschauende, wie niedergeschlagen und antriebslos der Film sie gemacht habe.
Erstes Auftauchen dieser Depression 2010
Der "Guardian" berichtet, dass das Post-Avatar-Depressions-Syndrom, kurz PADS, schon vor 13 Jahren aufgetreten sei, als Camerons "Avatar - Aufbruch nach Pandora" erschien. Der Film habe damals schon ungute Nachwirkungen bei vielen Zuschauenden gehabt. Und auch jetzt zitiert das Londoner Blatt wieder den Nutzer eines Filmforums mit den Worten: "Seit ich 'Avatar' gesehen habe, bin ich deprimiert. Als ich mir die wunderbare Welt von Pandora und all den Na'vi ansah, wollte ich einer von ihnen sein."
Die fantastische Wunderwelt Pandoras
In dem Bekenntnis des vom Guardian zitierten Nutzers steckt schon ein Stück weit die Erklärung für das PADS: Er zieht erstens die Fantasie-Welt des Films seiner eigenen vor und er vermag zweitens nicht, zwischen fiktiver und realer Welt zu unterscheiden. Das einzig reale, das er fühlt, als sein Pandora-Ausflug – dieser Eskapismus im Kino-Sessel – nach drei Stunden endet, ist Trauer: die Niedergeschlagenheit, dass das nicht seine Welt ist.
Dass die Unterscheidung zwischen fingierter und realer Welt bei dem Film schwerfällt, liegt auch an der in "Avatar - Aufbruch nach Pandora" erstmals voll zum Einsatz gebrachten 3D-Technik, durch die die Zuschauenden voll in die fantastische Tier- und Pflanzenwelt von Pandora eintauchen können.
Die unvollkommene reale Welt
"Es hat das Beste unserer Technologie gebraucht, um diese virtuelle Welt zu erschaffen, und das wirkliche Leben wird nie so utopisch sein, wie es auf dem Bildschirm erscheint. Es macht das reale Leben unvollkommener“, so erklärt der New Yorker Psychiater Stephan Quentzel auf CNN das Phänomen des Post-Avatar-Depressions-Syndroms.
Unvollkommener: Wer will das leugnen angesichts der bunten, von Leben strotzenden Wunderwelt Pandoras, in der Gut und Böse klar unterschieden ist, und unserem oft chaotischen krisengeschüttelten bedrohten Planeten?
Thom Yorke
Ideal und Wirklichkeit
Die Zuschauenden, die depressiv auf "Avatar" reagieren, können sich wohl schlicht nicht mehr mit dem Unvollkommenen begnügen. Da hilft vermutlich auch kein Kurt Tucholsky mehr weiter, der klar zwischen Ideal/Erdachtem und Wirklichkeit zu unterschieden wusste und darin das Leben selbst erblickte:
"Ideal und Wirklichkeit: In stiller Nacht und monogamen Betten/ denkst du dir aus, was dir am Leben fehlt./ Die Nerven knistern./ Wenn wir das doch hätten, was uns,/ weil es nicht da ist, leise quält./ Du präparierst dir im Gedankengange das,/ was du willst – und nachher kriegst du’s nie…/ Man möchte immer eine große Lange,/ und dann bekommt man eine kleine Dicke/ –C’est la vie – !" Kurt Tucholsky
Zitiert nach: Kurt Tucholsky: Zwischen Gestern und Morgen: Eine Auswahl aus seinen Schriften und Gedichten
Der malerische Planet Pandora ist erneut in Gefahr in James Cameron's "Avatar: The Way of the Water" (Szene).
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