Szene aus Avatar
Bildrechte: Walt Disney Company

Szene aus "Avatar 2"

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"Avatar: The Way of Water": Lohnt die Fortsetzung?

Nach 13 Jahren kommt ein zweiter Teil von Avatar in die Kinos: Regisseur James Cameron setzt nun weniger auf den Zauber phantastischer Pflanzen und Tierwesen, dafür auf Knalleffekte – und seine Zukunftswelt steckt voll überholter Rollenbilder.

Vielleicht muss man sich das so vorstellen: James Cameron hatte die Nase voll von dem ganzen umweltbewegten Eso-Naturkram aus dem ersten "Avatar"-Abenteuer und wollte es einfach mal wieder so richtig krachen lassen. Immerhin hat er ehedem Arnold Schwarzenegger als den "Terminator" erfunden. Mit einer forschen Handbewegung wischte der Regisseur also alles weg, was so an nachhaltigen Drehbuchideen auf den Tisch kam und bestimmte, wie es in "Avatar 2" weitergeht: Peng, Peng, Bumm, Bumm, Krawumms, Krawumms.

Ein mörderischer Trupp von geklonten Soldaten, die aussehen wie die blauhäutigen Ureinwohner, die Na’vis, in Wirklichkeit aber fiese US-Rednecks sind, landet im Dschungel von Pandora. Pandora – das ist ein erdähnlicher paradiesischer Mond. Als würden wir ein Vietnamkrieg-B-Movie-Revival aus den achtziger Jahren erleben, wollen die Brutalo-Krieger ihren ehemaligen Kollegen Jake Sully im Urwald aufspüren und meucheln. Der Ex-Marine hat Neytiri, die Tochter des Oberhaupts von Pandora, geheiratet und mit ihr eine Familie gegründet. Zudem organisierte er den Widerstand der Na’vis gegen die menschlichen Besatzer, die den Mond im Alpha-Centauri-System nach wie vor ausbeuten wollen.

"Avatar 2": eine extrem gedehnte Verfolgungsjagd

"Avatar 2" spielt nun zehn Jahre später, also 2164 – und jetzt ist Schluss mit lustig: Ein neuer, noch martialischerer Eroberungsfeldzug beginnt.

Hatte sich James Cameron 2009 im ersten Teil noch viel mit der Erfindung phantastischer Pflanzen und Tierwesen beschäftigt und blickte man fasziniert auf eine Welt, die man so noch nie gesehen hatte, geht es im neuen Film vor allem um eine auf dreieinviertel Stunden gedehnte Verfolgungsjagd, die im Kampf Mann gegen Mann endet. Der Regisseur greift verstärkt auf die alten Hollywood-Dramaturgien zurück, auch wenn es zwischendurch – Achtung: Luft holen! – ein bisschen Entspannung in den Unterwasserwelten des Volkes der Metkayina gibt. Jake Sully, dessen Frau Neytiri und die fünf Kinder verlassen den Dschungel und verstecken sich bei dem Na’vi-Stamm, der an den Küsten Pandoras lebt.

Auch im Meer gibt es fantastische Tierwesen, Pflanzen und wunderliche Fische, aber die entwickeln diesmal wenig Zauber, weil sie allzu steril animiert und meist sowieso nur dekoratives Beiwerk sind. Man kommt sich vor wie beim Besuch eines ozeanischen Aquatic Centers in Florida, um sich dann wieder in den keimfreien Kulissen der Metkayina-Welt zu tummeln, die wirkt, als habe man sie dem Hochglanzkatalog eines pazifischen Urlaubsresorts entnommen. Einzig die Kabbeleien der Teenager brechen dieses Idyll ein wenig auf – hoch lebe die Pubertät.

Metaebenen wurden in "Avatar 2" geopfert

Niederschmetternd ist an "Avatar 2" der gesellschaftliche Geist, der den Film tragen soll. Da fallen Sätze wie: Die Bedeutung des Mannes ist es, seine Familie zu schützen. Ohne jeglichen Anflug von Ironie ist das kaum durchzustehen. Und der affirmative Soundtrack erinnert an die Entspannungsmusik in einem Massagestudio.

Da erfindet einer eine Zukunftswelt und steckt in den Rollenbildern der fünfziger und sechziger Jahren fest: Von Gendergleichheit oder gar Diversität ist James Camerons neuer Film mondweit entfernt. Letzten Endes lässt sich die Moral der Geschicht' reduzieren auf: es gibt böse Männer und es gibt gute Männer – hoffen wir, dass die richtigen siegen.

Dieser Peng-Peng-Bumm-Bumm-Moral sind auch alle wissenschaftlichen oder philosophischen Metaebenen geopfert worden. Dazu passt dann sehr gut, dass in der Pressevorführung am vergangenen Montag die vorab hochgelobten neuen 3D-Techniken nicht funktionierten. Viele Kolleginnen und Kollegen beschwerten sich, dass ihnen ganz schwummerig geworden sei. Da hilft nur – wie im Film von den Wassermenschen gelehrt – das richtige Atmen. Einfach tief in den Bauch atmen. Atmen!

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