Beate Höhn in ihrer Ausstellung "Welcome to oblivion"
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In ihrer Ausstellung "Welcome to oblivion" setzen sich die Macher Beate Höhn und Micha Purucker mit dem Vergessen auseinander.

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Ausstellung "Welcome to oblivion": Vom Vergessen und Verdrängen

Im Nürnberger Künstlerhaus geht es neuerdings um Krisen und Katastrophen – und wie viele davon wir mittlerweile wieder vergessen haben. Doch die vielen Fragen, die die Schau aufwirft, bleiben zunächst offen.

Zwei Bildschirme dominieren den Ausstellungsraum, auf denen in Dauerschleife wichtige politische Ereignisse der letzten vier Jahrzehnte laufen. Mit Ausnahme des Mauerfalls eine Geschichte der Krisen und Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima über den 11. September und den Irakkrieg, Rechtsterrorismus und Finanzkrise zu den aktuellen Desastern.

Wenn der Blick sich von den Bildschirmen löst, erkennt man, dass man in einem riesigen Arbeitszimmer steht. Tische mit Mappen voller Dossiers zu den Krisen, und Pappen mit Fragen an die Besucher. Die Wände vollgepinnt mit Fotos, Artikeln, Textausschnitten und Notizen wie bei einer Tatortermittlung. Erinnerungen an die großen und kleinen Geschichtsmomente von der Atomaufrüstung und Nenas Friedenshit der 99 Luftballons, über Brandanschläge in Mölln und Hoyerswerda zum Zugunglück von Eschede oder der Reemtsma-Entführung.

Die Erinnerung verblasst

Was hat man nicht alles wieder vergessen, könnte da dem Betrachter in den Sinn kommen. Genau deshalb haben Beate Höhn und Micha Purucker ihre Ausstellung "Welcome to oblivion – Willkommen im Vergessen" genannt. "Dieses Verblassen der Erinnerung finde ich ganz schlimm", sagt Purucker. "Wir sind halt nicht einfach präsent, sondern wir sind Gewordene. Und dieses Gewordene ist Vergangenheit. Und das muss man erinnern damit man weiß, wo man unterwegs ist".

Ausstellung arbeitet mit Déjà-vues

Oder um es mit den Worten des ehemaligen Nürnberger Kulturreferenten Hermann Glaser zu sagen: "Zukunft braucht Herkunft". Beim Eintauchen in 40 Jahre Zeitgeschichte hat Beate Höhn Zeitenwenden erkannt. Etwa dass sich seit dem Anschlag auf das World Trade Center der Diskurs der Freiheit in einen Diskurs der Sicherheit verwandelt hat. Déjà-vues hatte die Choreografin auch und deutet auf eine Fotostrecke an der Wand.

Für die Ausstellung habe sie sich auch mit Protesten beschäftigt. Zunächst die Proteste ihrer Jugend – Gorleben und Brockdorf. "Und meine Tochter war jetzt in Lützerath und hat Fotos gemacht. Und wenn wir Fotos vergleichen kann man sagen, die Uniformen der Polizei haben sich verändert, sonst aber nichts", so Höhn.

Kontraste in der Krise

In dieser Ausstellung wird gerne mit Kontrasten gearbeitet. Luxusliner auf dem Meer neben verdursteten Tieren in der Wüste zeigen plakativ zwei Seiten der Klimakrise. Oder in der Abteilung "Populismus" sind es die zwei Gesichter der italienischen Postfaschistin Giorgia Meloni als friedfertige Madonna und als geifernde Einpeitscherin. Auch Donald Trump und die Gruppe "Proud Boys" finden sich in der Ausstellung. "Die Proud Boys stehen unglaublich hinter Trump und waren mitverantwortlich für den Sturm aufs Capitol. Deswegen habe ich sie auch so untereinander platziert", erklärt Höhn.

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Fotocollage mit Donald Trump und den "Proud Boys".

Purucker: "Ich habe ein Rückschrittgefühl"

Auch in der Abteilung "Recht auf Selbstbestimmung" sind die Aussichten düster. Dass in den USA das Recht auf Schwangerschaftsabbruch wieder ausgehebelt wurde, in Osteuropa die Rechte der Homosexuellen mit Füßen getreten werden oder der Rassismus weltweit auf dem Vormarsch ist, stimmt Micha Purucker nicht gerade optimistisch. "Ich habe ein Rückschrittgefühl", resümiert er.

Bis 2. März in Nürnberg zu sehen

Diese umfangreiche, arrangierte Materialsammlung zu den Krisen und Konflikten der letzten 40 Jahre wirft viele Fragen auf, gibt aber kaum Antworten. Das wirklich Interessante daran ist leider nicht ausgestellt. Nämlich der künstlerische Prozess, wie aus diesem Material Ideen herausgefiltert und Konzepte entwickelt werden, die am Ende in ein Tanztheaterstück münden. Die Ausstellung "Welcome to oblivion. Umbrüche – Zeitenwende – Déjà-vues" ist noch bis zum 2. März im Glasbau des Nürnberger Künstlerhauses zu sehen. Der Eintritt ist frei.

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