Man sieht die Schauspieler Harrison Ford und Jason Segel in "Shrinking"
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Harrison Ford und Jason Segel in "Shrinking"

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Auch Therapeuten sind Menschen: die Serie "Shrinking"

Den US-Schauspieler Jason Segel kennen viele aus der Sitcom "How I Met Your Mother". Jetzt spielt er in der neuen Serie "Shrinking" einen Psychologen. Gelingt ihm damit der Sprung ins ernste Fach?

Es ist ein gewagtes Ultimatum, das der Verhaltenstherapeut Jimmy Laird seiner Patientin Grace stellt: Entweder, du beendest die vergiftete Beziehung zu deinem Freund, oder ich werde dich nicht weiter behandeln. Jimmy ist Mitte Vierzig, Vater einer 17-jährigen Tochter und verdient im schicken, kalifornischen Pasadena seinen Lebensunterhalt damit, Menschen in großen und kleinen Lebenskrisen zu helfen. Nur steckt er selbst in einer fest, seit seine Frau vor etwa einem Jahr gestorben ist. Nach einer durchzechten Nacht kommt Jimmy also mit einem Mordskater in die Praxis und nimmt vor seinen Patienten kein Blatt mehr vor den Mund.

Geheimwaffe: Harrison Ford

Genau das sollte ein Verhaltenstherapeut natürlich nicht tun, egal wie verzweifelt er ist – und das spiegelt ihm auch sein Mentor und Praxisleiter Paul. Angestachelt von anfänglichen Erfolgen bricht Jimmy die ethischen Grenzen seines Jobs trotzdem weiter: einen traumatisierten, jungen Afghanistan-Veteranen mit Aggressionsproblemen lässt er in sein Poolhaus einziehen, und bei einem Mann mit sozialen Ängsten geht Jimmy auf Konfrontationskurs. Dass Jimmy seine eigenen Probleme dabei größtenteils ignoriert, frustriert nicht nur seine Kollegen Gaby und Paul, mit denen er sich die Praxis teilt. Eine Nachbarin hat die Fürsorge seiner Tochter übernommen, die statt mit ihrem Vater lieber mit dessen Kollege Paul spricht – gespielt von Filmstar Harrison Ford. Als grummeliger, aber weiser Therapeut und Ersatzvater ist der 80-Jährige die Geheimwaffe von "Shrinking". Ein überraschendes komödiantisches Talent.

Dank Fords Timing und seiner staubtrockenen Performance wünscht man sich so viel Bildschirmzeit wie möglich mit seinem eigentlich recht stereotypen Charakter Paul: Der ist ein zurückgezogener, einsamer Mann, dessen Parkinson-Erkrankung ihm die eigene Endlichkeit vor Augen führt. Wie viel Spaß ihm der Dreh gemacht haben dürfte, überträgt sich besonders in einer Szene, in der Paul high von Cannabis-Gummibärchen auf einer Couch kauert und an seiner Krawatte knabbert. Jimmy wiederum ist ideal besetzt mit Jason Segel, der das melancholische Innenleben seiner Figuren immer auch körperlich sichtbar macht. Segel spielt nicht nur die Hauptrolle, er hat die Serie "Shrinking“ auch gemeinsam mit Bill Lawrence, dem Serienschöpfer der Fußball-Hitserie "Ted Lasso" und dem britischen Comedian und Autor Brett Goldstein geschrieben. Humor und Tonalität der beiden Serien ähneln sich dementsprechend. Beide Serien menscheln, sind oft oft klebrig-süßes Wohlfühlfernsehen, bei dem denen man sich eine halbe Stunde lang vor den schweren Themen des Lebens in Sicherheit wähnt. Die gar nicht so banalen Einsichten über Trauer, das Älterwerden und den Tod erwischen einen in "Shrinking" kalt.

Serienunterhaltung der besten Sorte

Jimmys unkonventioneller Versuch, seine Patienten aus ihrer Komfortzone zu locken, führt natürlich am Ende vor allem dazu, dass er sich selbst aus seiner eigenen Komfortzone bewegt, in der er sich nach dem Tod seiner Frau eingerichtet und isoliert hatte. Die Geschichte vom Seelenklempner auf Abwegen hat sich so auch schon nach ein paar Folgen auserzählt. Gut, dass in "Shrinking" nicht nur die Patientinnen und Patienten in ihrem Leben feststecken, sondern auch ihre Therapeuten. Die wirkliche Therapie findet in "Shrinking" daher auch nicht in der Praxis statt – sondern in langen Dialogen außerhalb davon. Auf einer Parkbank, im Poolhaus und oben auf einem Wasserturm – in all den Momenten, in denen die Figuren sich verletzlich zeigen, Vertrauen zu anderen Menschen fassen und ein Stück über sich hinauswachsen. Sie machen "Shrinking" zu Serienunterhaltung der besten Sorte – auch wenn sie in ihrer ersten Staffel die Qualität von "Ted Lasso" noch nicht erreicht.

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