Schon in der Schule hat Julia Müller eine Facharbeit zur Rolle der Frau in der Kirche geschrieben. Später studierte sie katholische Theologie, arbeitete dann als Pastoralreferentin in einer Gemeinde – bis sie eines Tages zu vieles an der Institution störte, was sie auch nicht nach außen vertreten konnte. "Es war ein sehr langer Prozess", sagt Julia Müller, der am Ende in ihrer Kündigung bei der Kirche mündete.
"Es kam immer wieder was dazu: 2010, das Aufploppen dieser sexuellen Gewalt gegenüber Kindern. Das war natürlich harter Tobak. Die Stellung der Frau, der Nicht-Veränderungswille." All das habe sie über Jahre frustriert.
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Bei der Kirche gekündigt, nun selbstständig als spiritueller Coach
Julia Müller, die in Wirklichkeit einen anderen Namen hat, den sie in Öffentlichkeit nicht nennen möchte, hat sich inzwischen selbstständig gemacht. Sie arbeitet seitdem freiberuflich als Coach und therapeutisch-spirituelle Begleiterin. "Jetzt merke ich, dass diese innere Spannung weg ist. Dieser große innere Konflikt hat sich zum großen Teil aufgelöst."
Hinter vorgehaltener Hand hört man immer wieder von kirchlichen Mitarbeitern in Gewissensnot, weil sie einerseits ihren Beruf aus Überzeugung gewählt haben, andererseits enttäuscht sind wegen fehlender Reformen, Missbrauchsfällen, hoher Kirchenaustrittszahlen.
Krise trifft mehr als 3.000 Theologinnen und Theologen
Marcus Schuck aus dem unterfränkischen Aschaffenburg ist Vorsitzender des Berufsverbands der Pastoralreferent*innen in Deutschland, vertritt also 3.000 katholische Theologen. Seine Beobachtung: Seit der Missbrauchsstudie MHG 2010 sind alle kirchlichen Mitarbeiter mit dem Vorwurf konfrontiert: Wie kann man überhaupt noch bei einer Täter-Organisation wie der Kirche arbeiten?
"Wir bieten gegenseitige Rückenstärkung", sagt der Verbandsvorsitzende. Er hält es für wichtig, eine Möglichkeit zu haben, miteinander darüber zu reden. "Wir setzen uns massiv ein für Veränderungen, dass gerade die sexualisierte Gewalt und die Vertuschung keinen Platz mehr in der Kirche haben kann." Das betreffe im allgemeinen auch bessere Berufsbedingungen für kirchliche Mitarbeiter.
Kirche ist keine "mafiöse Veranstaltung"
Auch der evangelische Stadtdekan Bernhard Liess aus München sagt, die Kirche befinde in einem Umbruch. Dennoch erlebe er eine hohe Motivation unter Mitarbeitern, diesen Veränderungsprozess mitzugehen. "Man muss mal aus dieser absoluten Verteidigungshaltung herauskommen, dass wir uns nicht irgendwie legitimieren müssen, dass wir für eine quasi maffiöse Veranstaltung wie die Kirche arbeiten." Die Kirche sei nach wie vor ein verlässlicher Arbeitgeber.
Wer als Pastorin, Religionslehrer oder Gemeindereferentin arbeitet, mache mehr als nur einen Job. Sie oder er haben diesen Beruf einst aus einem persönlichen Glauben gewählt. Und diese Überzeugung kann stark machen, trotz Imageverlust der Institution Kirche.
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