Das haushohe documenta- Werk mit der antisemitischen Bildsprache schwarz verhüllt
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Swen Pförtner

Verhüllt: "People’s Justice", das Banner von Taring Padi

    Wegen antisemitischer Bildsprache: documenta-Werk verhüllt

    Das auf der documenta in Kassel aufgestellte Banner eines Künstlerkollektivs ist verhüllt, nachdem die Kritik immer lauter wurde, die das Werk als antisemitisch anprangerte. Doch es regen sich starke Zweifel, ob es mit der Verhüllung getan ist.

    Das gigantische Banner der indonesischen Künstlergruppte Taring Padi auf dem zentralen Friedrichsplatz "People’s Justice" ist verhüllt. In dem erst am vergangenen Freitag um 17:00 Uhr – das heißt nach dem Rundgang der Fachpresse – aufgestellten gigantischen Wimmelbild hatten - wie viele andere danach auch - Kulturstaatsministerin Claudia Roth sowie zahlreiche Politiker und Wissenschaftler klar eine antisemitische Bildsprache erkannt.

    Documenta: Verdecken und erklären

    Aufgrund einer Figurendarstellung des Kollektivs, die antisemitische Lesarten ermöglicht, habe sich das Kollektiv gemeinsam mit der Geschäftsführung und der Künstlerischen Leitung "entschieden, die betreffende Arbeit zu verdecken und eine Erklärung dazu zu installieren", teilte die documenta am Montagabend mit. "Unsere Arbeiten enthalten keine Inhalte, die darauf abzielen, irgendwelche Bevölkerungsgruppen auf negative Weise darzustellen", erklären Tarin Padi auf der Webseite der documenta.

    "Klare antisemitische Hetze"

    Das sehen sehr viele Menschen ganz anders, selbst Wissenschaftler und Politiker, die die Documenta-Macher bislang gegen die Antisemitismusvorwürfe verteidigt hatten. Meron Mendel etwa, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, hatte deswegen gestern die Verantwortlichen der Weltkunstausstellung in Kassel aufgefordert, das Werk, das "antisemitische Stereotype" transportiere, zu entfernen. "Diese Bilder lassen überhaupt keinen Interpretationsspielraum zu. Das ist klare antisemitische Hetze." Auch Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle, Aufsichtsratsvorsitzende der documenta, sieht in dem Werk "einen antisemitischen Verstoß, der nicht von der Hand zu weisen ist". Er habe die Geschäftsführung der Schau gleichzeitig um Aufklärung sowie um Einleitung notwendiger Maßnahmen gebeten.

    Auch Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, zeigt sich entsetzt über die documenta, die trotz der langen Debatten im Vorfeld die Anbringung dieses Banners an derart zentraler Stelle erlaubt hatte.

    Entschuldigung über documenta-Homepage

    "Wir sind traurig darüber, dass Details dieses Banners anders verstanden werden als ihr ursprünglicher Zweck. Wir entschuldigen uns für die in diesem Zusammenhang entstandenen Verletzungen", heißt es von den Verantwortlichen auf der documenta-Homepage. Als hätten sie nicht verstanden, dass Volksverhetzung nicht eine Sache der Interpretation und des "Verstehens" ist, holen sie zu einer langen Erklärung aus, wie das Werk gemeint, welchen Zweck es ursprünglich habe.

    "Die Banner-Installation People’s Justice (2002) ist Teil einer Kampagne gegen Militarismus und die Gewalt, die wir während der 32-jährigen Militärdiktatur Suhartos in Indonesien erlebt haben und deren Erbe, das sich bis heute auswirkt. Die Darstellung von Militärfiguren auf dem Banner ist Ausdruck dieser Erfahrungen. Alle auf dem Banner abgebildeten Figuren nehmen Bezug auf eine im politischen Kontext Indonesiens verbreitete Symbolik, z.B. für die korrupte Verwaltung, die militärischen Generäle und ihre Soldaten, die als Schwein, Hund und Ratte symbolisiert werden, um ein ausbeuterisches kapitalistisches System und militärische Gewalt zu kritisieren." Taring Padi

    Im Blick auf das gigantische Banner wird allerdings auch diese Erklärung nicht harmloser: Sie erklärt weder, warum der vor 20 Jahren gemalte Soldat mit Schweinsgesicht einen Mossadhelm und ein Halstuch mit Judenstern trägt, noch, was die üble Karikatur eines orthodoxen Juden mit Suhartos Militärdiktatur zu tun hat.

    Verhüllung macht das Werk noch prominenter

    "Als Zeichen des Respekts und mit großem Bedauern decken wir die entsprechende Arbeit ab, die in diesem speziellen Kontext in Deutschland als beleidigend empfunden wird", verkünden die Verantwortlichen auf der Webseite. Doch jetzt schon regen sich starke Zweifel, ob es mit der Verhüllung getan ist.

    Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und ehemalige Bundestagsabgeordnete von Bündnis90/Die Grünen, Volker Beck, hat schon eine Strafanzeige wegen der Darstellung von Juden als Schweinen angekündigt. Und der Münchner Soziologe Armin Nassehi vermutet, dass die Verhüllung das Werk nur noch prominenter macht.

    Befürchtungen des Internationalen Auschwitz Komitees

    Das Internationale Auschwitz Komitee forderte am Dienstag dringend zum Dialog auf: "Es wird höchste Zeit im Rahmen dieser documenta ein Gespräch zu beginnen, die Künstler zu hören, aus welcher Weltsicht diese Bilder so entstanden sind und seitens der documenta öffentlich zu erklären, warum diese Bilder hier auf Widerstand und Ablehnung stoßen", sagte Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees. Überlebende des Holocaust verfolgten – so Heubner weiter – die "desolaten Entwicklungen" um die documenta "mit Fassungslosigkeit und Resignation". Die erniedrigende Darstellung jüdischer Menschen kämen den Holocaust Überlebenden sehr bekannt vor und erinnerten sie "an die finsteren Zeiten erinnern, in denen sie mit ähnlichen Zeichnungen ausgestoßen und gejagt wurden." Heubner fürchtet, dass die "mittlerweile total verfahrene und würdelose Situation ... tragischerweise nichts anderes hervorbringen wird als neue antisemitische und antiisraelische Klischees in den Köpfen vieler Menschen: Die Juden als ewige Störenfriede und Miesmacher der documenta 15."

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