Porträt der Sängerin mit Turban
Bildrechte: Alexander Demianchuk/Picture Alliance

Anna Netrebko

    Angetrunkene Anna Netrebko bringt Russen gegen sich auf

    Weil sie ihre russischsprachigen Fans unter Alkoholeinfluss als "verdammte Drecksäcke" bezeichnete, sieht sich die Star-Sopranistin einem Shitstorm ausgesetzt. Ihr Ehemann hatte sie davor gewarnt. Netrebko macht derzeit in der Arena Verona Station.

    Wer in der Arena von Verona die Titelpartie in Verdis "Aida" singt, der gehört wirklich zur absoluten Spitze im internationalen Operngeschäft, insofern darf sich Anna Netrebko (50) bestätigt fühlen: Sie hatte diese Rolle nach ihrem Debüt bei den Salzburger Festspielen zwar auch schon in New York und Neapel gesungen, aber noch nie in der berühmtesten aller Open-Air-Spielstätten. Ihr Ehemann Yusif Eyvazov (45) war als Radamès an ihrer Seite zu erleben. Die Kritiken waren vorhersehbar: Netrebkos Stimme wurde wie immer hymnisch gelobt, ihr schauspielerisches Können leise bemängelt. Doch das alles ist für ihre russischen Fans Nebensache, nachdem sich die Sängerin per Instagram angetrunken präsentierte.

    "Betrunken durch Europa torkeln"

    Sie und ihr Mann seien "ein wenig beschwipst", sagte Netrebko in dem von ihr eingestellten Video von einem nächtlichen Spaziergang durch eine Einkaufsgalerie. Eyvazov warnt sie daraufhin aus dem Off: "Jetzt werden sie schreiben, dass du betrunken durch Europa torkelst." Die Diva antwortet wenig gesittet: "Ihr verdammten Drecksäcke, ihr verdammten Drecksäcke, ist euch das klar? Mein Mann warnte mich!" Das löste in Russlands Medien ein gewaltiges Echo aus, zumal die Sängerin angekündigt hatte, in den "nächsten fünf Jahren" nicht in Russland auftreten zu wollen.

    Netrebko habe mit dem wohl scherzhaft gemeinten Auftritt die "Maske fallen" gelassen, empörten sich selbst kasachische Journalisten, und ihre Fans "gedemütigt". In Diskussionsforen wurde geschimpft, die Sängerin sei "schon lange nicht mehr in Form" und habe den Absprung "in Würde" verpasst. Ein Russe behauptete, er habe sich prompt im "Selbstversuch" betrunken und andere "Drecksäcke" genannt - mit verhängnisvollen Folgen. Andere beeilten sich, Netrebko den Rücken zu stärken: So verwies ein Augenzeuge darauf, dass sie bei einem Spaziergang über die Veroneser Piazza stehende Ovationen bekommen habe: "Man kann ihr viel verzeihen." Die Sängerin werde behandelt "wie ein Fußabtreter", meinte ein weiterer Debattierer, obwohl sie "nichts Schlechtes getan" habe.

    Hämisch wurde darauf hingewiesen, dass ein Auftritt der Sängerin am 3. September auf dem Schlossplatz von Stuttgart vor rund 4.000 Zuschauern trotz ihrer Distanzierung von Putin nicht stattfinden wird.

    Der für die Liegenschaft zuständige baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hatte gesagt, es gebe zwar keine "Gesinnungsprüfung", doch Netrebko sei nicht "irgendeine Sängerin". Wegen ihrer langjährigen Unterstützung von Putin seien Proteste zu erwarten, es gebe also "Sicherheitsbedenken, die sich auch auf zivilrechtliche Vertragsverhältnisse" auswirkten. Das Konzert bei den Regensburger Schlossfestspielen am 22. Juli soll allerdings stattfinden.

    Unterdessen erholt sich Netrebko nach eigener Darstellung in Jesolo an der Adria von ihrem Aida-Auftritt im nahegelegenen Verona: "Wir sind am Meer, sonnen uns, radeln, essen viel, treiben Sport und sind im Allgemeinen in einem Zustand vollkommener Glückseligkeit", schrieb sie auf Instagram. Andere müssten an Montagen leider arbeiten, kommentierte das russische Portal "Life" diesen Satz.

    "Angst, alles zu verlieren"

    In Russland, und nicht nur dort, wird Netrebko vorgehalten, sich lediglich aus Geld- und Karrieregründen von Putin losgesagt zu haben. "Irgendwann hatte ich Angst, dass sie mich fälschlicherweise auf die Sanktionsliste setzen könnten. Oder dass sie mir meinen österreichischen Pass entziehen können und ich alles verlieren kann", zitierten russische Medien die Künstlerin und ergänzten, sie wolle wohl nicht nur auf zwei, sondern sogar drei Stühlen gleichzeitig sitzen.

    Ein Video, auf dem Netrebko sich fröhlich tanzend präsentierte, fand auch nicht den Beifall der zensierten russischen Medienöffentlichkeit: "Wie kann sie so fröhlich sein?" hieß es empört: "Allenfalls, weil sie auf mehreren Stühlen Platz genommen hat." Und Konkurrentin Olga Borissowna Kormuchina (62) schimpfte, Netrebko mache die Oper nicht etwa "populär", sondern mache daraus eine "Show": "Es ist erbärmlich, sowohl sie, als auch ihre Fans."

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