Junge Frau in alterümlichem Gewand, nachts vor beleuchtetem Haus.
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Jessie Buckley spielt die Harper in Garlands neuem Horror-Film MEN.

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Alle gleich? Alex Garland hat Horrorfilm über Männer gedreht

Es gibt mal wieder einen Film über toxische Männlichkeit. Gedreht hat ihn der Brite Alex Garland, der seitdem er das Buch zum Abenteuerfilm 'The Beach' schrieb, für Überraschungen sorgt. Sein neues Opus Magnum bildet da keine Ausnahme.

Fangfrage: Wovon könnte ein Film handeln, dessen englischer Originaltitel „Men“ lautet? Von Männern? Oder der Menschheit? Beides ist richtig. Aber simpel fällt die Antwort deswegen noch lange nicht aus. Schließlich saß Alex Garland auf dem Regiestuhl. Und auch das Drehbuch stammt von ihm. Heißt: Es wird komplex. Herausfordernd. Vielleicht auch überfordernd. Leicht verdauliches Unterhaltungskino hat der Enkel eines Nobelpreisträgers und Sohn einer Psychoanalytikerin schließlich noch nie geliefert. Dafür – mit "Ex Machina" - einen der besten Science-Fiction-Filme der letzten Jahre. Und mit "Annihilation" einen extrem verkopften Endzeitfilm. Garlands aktuelles Werk hat mit Science-Fiction allerdings wenig zu tun. Statt Zukunftsszenarien entwirft der Brite ein in der Gegenwart angesiedeltes Paralleluniversum. Die Kunst des sich langsam aufbauenden Unbehagens zelebriert er dabei wie eh und je.

Christliche Bildsprache

Auch wenn Garland eigenen Aussagen zufolge Atheist ist: biblische Symbole finden sich in all seinen Werken. In "Men" treten sie ungewöhnlich geballt auf. Prominent vertreten ist ein Apfelbaum – im Alten Testament etabliert als der Baum der Erkenntnis, dessen Früchte die Gabe vermitteln, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden.

Unbedacht beißt Harper, die Protagonistin in "Men", in einen der Äpfel – und löst damit einen Albtraum aus, der ihre Vertreibung aus dem Garten Eden, aber auch einen Neuanfang zur Folge haben wird. Denn Harper ist eine gequälte Seele. Vor nicht allzu langer Zeit ist ihr Mann gestorben. In der Abgeschiedenheit eines idyllischen Dorfs versucht die traumatisierte Londonerin, das Erlebte zu verarbeiten. Doch das Paradies entpuppt sich als Vorhof zur Hölle.

Alle Männer - ein und derselbe Typ

Ob Pfarrer, Dorfpolizist, Schuljunge oder Kneipenbesucher: Die Männer, denen Harper begegnet, verhalten sich ihr gegenüber aggressiv und invasiv. Sie dringen in ihr Privatleben ein, stellen indiskrete Fragen, ignorieren ihre Ängste. Dass Harper schon kurz nach ihrer Ankunft verfolgt wird? Dient als Basis für abfälligen Thekentalk im Pub.

Was Harper nicht realisiert und das Kinopublikum in einen irritierenden Alarmzustand versetzt: Alle Männer, auch die Kreatur, die ihr aus dem Wald folgt und um ihr Haus schleicht, haben das gleiche Gesicht. Die eigentlich harmlosen Gesichtszüge des britischen Schauspielers Rory Kinnear, der mit der Verkörperung all dieser Figuren eine unvergessliche Glanzleistung abliefert, werden zur konstanten Bedrohung. Und egal, wie früh man glaubt, den tieferen Sinn des optischen Twists dechiffriert zu haben: die komplette Antwort erhält nur, wer bis zum blutigen Ende durchhält.

Was nicht allen gelingen wird: Bei der Premiere in Cannes verließen einige Besucher den Kinosaal, andere flohen angesichts immer absurder werdender Bodyhorror-Momente in hilfloses Gelächter. Beide Reaktionen sind nachvollziehbar – ändern aber nichts daran, dass dieser eigenwillige Kommentar auf toxische Männlichkeit ein glänzender Solitär im laufenden Kinojahr ist.

Men - Was dich sucht, wird dich finden. Vereinigtes Königreich 2022, 100 Minuten. Regie & Drehbuch: Alex Garland. Mit Jesse Buckley & Rory Kinnear. FSK 16 Jahre.

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