Von "talentvoller Mehrseitigkeit" als Gegenpol zur "genialen Einseitigkeit" schreibt Jean Paul einmal, und eben diese "talentvolle Mehrseitigkeit" verkörpert der Filmemacher und Autor Alexander Kluge. Seine Dankesrede hatte viel zu tun mit der Vorliebe Jean Pauls für Ideen-Assoziationen, für das Herstellen von Zusammenhängen, das keinen anderen zeitgenössischen Künstler so kennzeichnet wie den 85-jährigen Kluge.
Meister der Assoziation
So wie in seinem Werk Poesie und Zeitgeschichte eng miteinander verflochten sind, Homer also neben dem Bombardement von Kluges Geburtsort Halberstadt steht, so waren seine mitunter von Klavier begleiteten Worte und Minutenfilme gestern Abend in der Münchner Residenz eine weite Assoziationsräume aufmachende Textur.
"Alexander Kluge hat über Jahrzehnte hinweg größten Einfluss auf das kulturelle Leben Deutschlands gehabt. Von seinem vielgestaltigen Werk können wir hier nur den literarischen Anteil würdigen, der erstaunlich genug ist. Kluge erfand seine ganz eigene literarische Form und hat ihr klassische Gestalt verliehen: die geschichtsphilosophische Episode. Was es mit der Geschichte auf sich hat, dieser Frage entgeht niemand; und Kluge gibt Antwort darauf in Tausenden von Einzelgeschichten." Aus der Begründung der Jury zum Jean-Paul-Preis
Die Kunst des Gesprächs
Entscheidend ist für den großen Netzwerker Kluge das Gespräch – der Dialog mit Künstlern wie Gerhard Richter und Georg Baselitz oder auch, wie gerade erst, mit dem Autor Ferdinand von Schirach, woraus das Buch "Die Herzlichkeit der Vernunft" entstanden ist. Darin sagt Kluge über Jean Paul, dieser sei "ein Mann der extremen Ausschläge" gewesen, "aber in Worten, nicht nur in Gemütsbewegungen". Gerade das interessiert Kluge, den Chronisten der Gefühle.