So soll sie eigentlich sein: Die scheene Leich, feucht, frech und auch fröhlich, diese Feier für den Gestorbenen, die zugleich das Leben der Feiernden zelebrieren soll, mit Musik und Essen und natürlich auch starken Getränken. Dass es dieses Ritual immer seltener gibt, in der die Gemeinschaft den Abschied feiert und sich zugleich des Weiterlebens versichert, auch davon handelt nun in den Münchner Kammerspielen "A scheene Leich".
Musikalisches Kabarett mit drastischen Details: "A scheene Leich"
Es ist eine Art musikalisch-kabarettistische Nummernrevue mit theatralem Handlungsfaden, die sich Gerhard Polt und die Well-Brüder zusammen mit dem Schweizer Regisseur Ruedi Häusermann erdacht haben. Da ist der Bestattungsunternehmer Pius Brenner gestorben, der als "Nekroökonom" – wie es so schön heißt – sein florierendes Geschäft mit dem Tod betrieben hat und das nicht nur mit seiner "Pietas Ruhe GmbH & Co. KG", sondern auch als Altenheimunternehmer. Warum auch nicht, schließlich liefert das eine Kunden für das andere. Jetzt aber probt der Laienchor für die eigene Beerdigung, die Exfrau trauert ihrem Imperium nach und die junge alleinerbende Witwe schießt Selfies am offenen Grab.
Gerhard Polt und die Well-Brüder
Dass unsere Gesellschaft in ihrer kompletten Verdrängung von Alter und Tod das Sterben ausgelagert hat und dabei oftmals über unmenschliche Bedingungen in Alters- und Pflegeheimen hinwegsieht, ist ein weiterer Ausgangspunkt dieses Programms. Dabei schreckt man nicht vor drastischen Details zurück, die auf Tatsachen im Fall des Schlierseer Skandalpflegeheims zurückgehen und von Würmern in offenen Wunden Verhungernder erzählen, von überfahrenen Umherirrenden und von hygienischen Unzumutbarkeiten.
Verschmitzte Poesie gepaart mit der bayerischen Anarchie der Well-Brüder
Und durch all das stiefelt der inzwischen 80-jährige Gerhard Polt auf seine so scharfsinnig-verschmitzt-melancholisch-pointierte und damit unnachahmliche Weise. Dabei wandelt er sich kurzfristig immer mal wieder einige Rollen an, ohne sich dabei selbst zu vergessen – ist mal Geistlicher, mal Geschäftsführer, mal Chorteilnehmer, mal Jurist – um dann wieder zwischendurch als Gerhard Polt im direkten Kontakt mit dem Publikum den Zeitgeist zu kommentieren.
- zum Video: Das Skandalheim vom Schliersee
Dass sich der durch die Regie von Ruedi Häusermann genau getaktete Abend bei aller Ernsthaftigkeit seine verschmitzte Poesie erhält, ist natürlich auch und gerade der bayerischen Anarchie der Well-Brüder zu verdanken. Die schöpfen dabei nicht nur aus dem riesigen Repertoire ihrer Instrumente, sondern zugleich auch aus der frechen Kreativität, mit der sie mit musikalischem Erbe umgehen. Und so wird auch diese "Scheene Leich" als etwas ganz Besonderes in die Annalen der Münchner Kammerspiele eingehen.
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