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Nobelpreis

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2018 kein Literaturnobelpreis, die einzig mögliche Entscheidung!

Belästigungs- und Korruptionsvorwürfe haben die Jury der Schwedischen Akademie jetzt dazu gebracht, den Literaturnobelpreis 2018 auszusetzen. Richtig! Die Auszeichnung ist beschädigt, eine Auszeit unausweichlich. Ein Kommentar von Knut Cordsen.

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

Dass die Schwedische Akademie, die den Literaturnobelpreis vergibt, zuletzt noch ihrem Auftrag gerecht wurde, „Genie und Geschmack“ zu fördern - „Snille och Smak“, wie es seit der Gründung 1786 ihr Motto ist -, kann man nicht behaupten. Diese Institution hat in den vergangenen Monaten alles dafür getan, ihr Renommee gründlich zu ramponieren. Durch Vertuschungsmanöver und wüste Beschimpfungen der Mitglieder untereinander, deren haarsträubendste vom Akademie-Mitglied Horace Engdahl kam: Der ehemalige Ständige Sekretär der Akademie nannte seine Nachfolgerin Sara Danius, die erste Frau überhaupt in diesem Amt, öffentlich die schlechteste Besetzung in der gesamten Geschichte der Akademie, und das aus einem einzigen Grund: weil sie eine Untersuchung der seltsamen Machenschaften innerhalb der Akademie angestoßen hatte.

Die Akademie - ein "old boys network"

Das mag ein „old boys network“, wie es die Akademie ist, besetzt mit vielen älteren Männern, offenkundig nicht. Die Ironie der Geschichte will es, dass einer der führenden Köpfe dieses Netzwerks, der 69-jährige Horace Engdahl, vor etlichen Jahren einmal in einem Band mit Aphorismen namens „Meteore“ ein berühmtes Axiom Gustave Flauberts zitiert hat: „Ehrungen entehren, Titel degradieren, Ämter machen dumm.“ Genau das ist der Fall gewesen bei den auf Lebenszeit berufenen Mitgliedern der Schwedischen Akademie: „La fonction abrutit“ – ihr Amt im Nobelpreiskomitee hat sie dumm gemacht.

Veruntreute Gelder und Missbrauch

So dumm, dass sie allem Anschein nach jahrelang mitansahen, wie eines ihrer Mitglieder, die Lyrikerin Katarina Frostenson, Gelder aus der Akademie abzweigte für die Finanzierung eines von ihr und ihrem Mann Jean-Claude Arnault betriebenen Kultur-Clubs in Stockholm. Damit nicht genug: Der 71-jährige Arnault soll Töchter und Ehefrauen anderer Akademie-Mitglieder sexuell belästigt haben und selbst vor der Kronprinzessin Victoria nicht halt gemacht haben – unter den Augen von Horace Engdahl und anderen Mitgliedern. Kein Wunder, dass sich der König Carl XVI. Gustaf, offiziell der „hohe Beschützer“ der Akademie, zum Eingreifen genötigt sah.

Dringender Reformbedarf der Statuten der Akademie

Die Entscheidung, den Literaturnobelpreis heuer nicht zu verleihen, ist die einzig mögliche und richtige. Nicht nur die Auszeichnung selbst ist beschädigt, auch der Ruf jedes potentiellen Preisträgers wäre nolens volens in diesem Krisenjahr 2018 in Mitleidenschaft gezogen worden. Zudem ist die Akademie mit derzeit nur zehn statt regulär 18 Mitgliedern gar nicht mehr beschlussfähig. Jetzt muss sie sich an die Reform ihrer völlig obsoleten Statuten machen: Es geht nicht länger an, dass Mitglieder auf Lebenszeit gewählt werden und selbst dann nicht ersetzt werden, wenn sie, wie die heute 84-jährige Schriftstellerin Kerstin Ekman seit 1989 nicht mehr von ihrem Stimmrecht Gebrauch machen. Auch der Stuhl der Autorin Lotta Lotass ist seit 2015 verwaist, weil sie befand, sie passe nicht „in das Milieu der Akademie“. Wer seinen Mitgliedsposten räumen möchte, muss gehen können, - so dass auch die sechs Mitglieder, die die Akademie in Folge des Skandals im April verlassen haben, ihren Platz für Nachfolger frei machen können und damit im Übrigen auch auf ihr Residenzrecht in den Wohnungen der Akademie im edlen Stockholmer Stadtteil Djurgården verzichten sollten. Nur so kann das Ansehen einer Institution wiederhergestellt werden, die zu Recht größten Wert auf ihre Reputation legt. Die Auszeit, die sich die Akademie nun selbst verordnet hat, ist unausweichlich.