Dünne Gesetzeslage

Mafia-Paradies Deutschland Dünne Gesetzeslage

Stand: 24.02.2017

Mann zieht Geld hinter dem Revers hervor und Frankfurter Skyline  | Bild: picture-alliance/dpa; colourbox; montage: br

Deutschland muss im Kampf gegen die Mafia nachrüsten, sagt Alessandra Dino. Nicht nur seien die Hürden für Abhöraktionen zu hoch, auch reiche das Geldwäschegesetz nicht aus und die Polizeikoordination sei mangelhaft.

Von Rika Dechant

Doch selbst wenn die deutsche Polizei mit Sondergenehmigungen vereinzelt eine Abhörerlaubnis bekäme, reicht es nicht, den sizilianischen, kalabrischen oder kampanischen Dialekt zu verstehen, man muss auch die kryptische Ausdrucksweise der Mafiosi interpretieren können.

"Das ist kein Jargon, sondern eine Sprache voller Symbole, Andeutungen, eigener Redewendungen: Wenn sie beispielsweise von Pferden reden, sind Drogen gemeint etc. Und da sie eine feste Gruppe sind, funktioniert das, sie sprechen alle diese Sprache."

Alessandra Dino

Das erschwert das Abhören zusätzlich. Zudem kommunizieren die Mafiosi auch heute noch viel über Zettel, sind also in diesem Bereich schlauer als so mancher Terrorist, dessen Chatverlauf die Beamten rekonstruieren können. Und sie arbeiten mit Boten. Diese Problematik bestätigt auch das Innenministerium. Sie gehöre zu den alltäglichen Herausforderungen ihrer Ermittlungsarbeit.

Die Rolle der Frauen

Die Boten sind oft Frauen. Überhaupt hat sich deren Rolle in den letzten Jahren stark verändert. Heutzutage sind sie wichtiger Teil der Aktionen der Mafia.

"Sie haben inzwischen wichtige Parts übernommen, doch die Ermittler schenken ihnen noch zu wenig Beachtung. Frauen helfen den Mafiosi bei der Flucht, sind das Sprachrohr zwischen den Bossen - und sie erziehen die Kinder zu Mafiosi."

Alessandra Dino

Inzwischen werden sie sogar konsultiert, wenn die Väter, Brüder und Ehemänner im Gefängnis sitzen. Und neuerdings genießen sie teilweise auch eine bessere Ausbildung als die Männer: Sie sind Ärztinnen, Apothekerinnen, haben BWL studiert. "Diese Kompetenzen nützen der Mafia natürlich. Sie erscheinen in der Öffentlichkeit als angesehene Respektspersonen und können so die verschiedensten Machenschaften anleiern.“ Die Mafiosi können auf diese Weise hinter Gittern weiter ihre Geschäfte regeln. Denn nicht zuletzt fehlt es in Deutschland auch an Hochsicherheitsgefängnissen wie in Italien, in denen Mafiosi nicht mehr mit der Außenwelt kommunizieren können.

Die deutsche Gesetzeslage

Laut Dino geschieht in Deutschland noch zu viel Polizeiarbeit auf Länderebene. "Jedes Land hat seine eigene Polizei, es gibt keine Großkoordinationsstelle wie in Italien. Die italienische Polizei lamentiert oft, dass es keinen festen Ansprechpartner gibt. Das erschwert die Arbeit." Das Bundesinnenministerium bestätigt, dass tatsächlich keine Sonderpolizeibehörde mit der italienischen "Direzione Investigativa Antimafia" vergleichbar sei. Auch sei zutreffend, dass es auf Ebene der Staatsanwaltschaften in Deutschland keinen zentralen Ansprechpartner für die italienische Antimafia-Staatsanwaltschaft gebe. Die Koordinationsaufgaben zwischen den Bundesländern und dem Ausland nehme das BKA wahr.

Problem Geldwäsche

"Ermittlungsakten zeigen, dass nach dem Fall der Mauer vor allem die 'Ndrangheta in ostdeutsche Immobilien investiert hat. Die Mafiosi hatten schon immer Lokale in Deutschland und niemand hat nach der Herkunft des Geldes für die Investitionen gefragt. In Italien darf die Polizei dagegen nachfragen, woher das Geld stammt – mit der entsprechenden Konsequenz, wenn die Investoren die Herkunft nicht belegen können. In Deutschland gilt die Beweislastumkehr: Da muss das Gericht beweisen, dass es sich um Schwarzgeld oder anderes illegal erworbenes Geld handelt. Somit ist Geldwäsche in Deutschland ein Kinderspiel. Es gibt kein Gesetz wie in Italien, das die Beschlagnahme von Eigentum bereits beim ersten Verdacht erlaubt."

Alessandra Dino, Mafiaexpertin

In diesem Punkt scheint etwas zu bewegen in Deutschland: Die Bundesregierung hat laut Innenministerium den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung beschlossen und dem Bundestag vorgelegt. Mit dem Gesetz sollen Straftätern künftig illegale Gelder unbekannter Herkunft leichter entzogen werden. Aber noch ist das Zukunftsmusik.