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Der Fall Commerzbank Die Bank, der Staat und die Steuer

Die Commerzbank ist nicht die einzige Bank, die den Staat mit trickreichen Konstruktionen um Steuermillionen brachte. Was ihren Fall speziell macht: Der Staat hat ihr in der Bankenkrise mit Steuermilliarden aus der Patsche geholfen.

Von: Michael Kubitza

Stand: 02.05.2016 | Archiv

Die Zentrale der Commerzbank in Frankfurt am Main  | Bild: picture-alliance/dpa

"War das wirklich eine gute Investition?", grübelt die Frau im grauen Jogginganzug. "Hohe Fixkosten, Planungssicherheit gleich Null ..." Die Frau meint ihr Baby, und sie rennt durch einen Werbespot der Commerzbank. Jedenfalls war es "die beste Entscheidung unseres Lebens". Schließlich seien nachhaltige Entscheidungen die besten, raunt eine Stimme aus dem Off und gratuliert "allen Eltern zum Mutter- und Vatertag."

War das wirklich eine gute Investition? Die Frage kann sich auch ein Steuerzahler stellen, der an die Commerzbank denkt. In der letzten Bankenkrise hat der Staat sie mit über 18 Milliarden Euro gestützt und am 8. Januar 2009 zu einem Viertel "adoptiert": 25 Prozent plus eine Aktie des zweitgrößten deutschen Geldinstituts gehörten damals "uns allen". In der Folgezeit tätigte die Commerzbank die nach Informationen des BR sogenannte Cum/Cum-Geschäfte, mit denen sie den Staat um Steuereinnahmen in zweistelliger Millionenhöhe brachte. Heute besitzt der Staat noch 15 Prozent und entsendet zwei Vertreter in den Aufsichtsrat der Bank.

Dubiose Geschäfte mit staatlicher Alimentierung

Es ist nicht das einzige zweifelhafte Geschäftsmodell des Geldhauses. Ende 2015 hatte sich die Bank mit der Staatsanwaltschaft Köln auf ein Bußgeld von 17 Millionen Euro verständigt; die Ermittler stellten daraufhin das Verfahren gegen eine Luxemburger Commerzbank-Tochter ein, die beschuldigt wurde, vermögenden Kunden bei der Verschleierung ihres Geldes vor dem Finanzamt zu helfen.

Im Februar tauchte die Bank in den "Panama Papers"-Enthüllungen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung auf. Die Justiz ermittelt erneut. Der Verdacht: Beihilfe zu Steuerbetrug und Geldwäsche über Briefkastenfirmen von Mossack Fonseca.

Für weniger liquide Anleger, die sich eine sichere Altersvorsorge erhofften, legte sich die Commerzbank wohl nicht immer so ins Zeug. Seit Jahren laufen Prozesse gegen die Bank, hinter denen sich oft menschliche Tragödien verbergen (siehe Video).

Geschäft: läuft. Moral: egal?

Viele dieser Fälle sind "Altlasten" aus der Zeit vor 2009. Dennoch stellt sich die Frage, wieviel die seither teilstaatliche Commerzbank aus den Fehlern der Bankenkrise gelernt hat.

Die Initiative "Fair Finance Guide" (FFG) hat die moralische Qualität vieler Banken untersucht. Ihr Ergebnis: Bei den Selbstverpflichtungen ist die Commerzbank "Vorreiter unter den deutschen Großbanken". Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander. So nennt FFG in der jüngsten Untersuchung "Dirty Profits 4" vom Februar die "finanzielle Verflechtung [der Commerzbank] mit 15 von 20 Unternehmen, die gegen Umwelt- und Menschenrechtsstandards verstoßen".

Rein rechnerisch fährt die Bank mit ihrem Kurs derzeit gut. 2015 hat sie ihren Gewinn im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht und erstmals wieder eine Dividende ausgeschüttet. Laut Martin Blessing, Vorstandschef bis Ende April 2016, geht es dem Institut "signifikant besser als vor der Finanzkrise".

Martin Blessing, Martin Zielke, Klaus-Peter Müller (l.n.r.)

Blessing ist somit "fein raus" - sein Vertrag ist ausgelaufen, am 30. April gab er den Stab an den bisherigen Leiter des Privatkundengeschäfts, Martin Zielke, weiter. Auch im Aufsichtsrat wird demnächst gewechselt. Chefkontrolleur Klaus-Peter Müller - der Amtsvorgänger Blessings vor der Krise - hört aus Altersgründen auf. Die Suche nach Verantwortlichen macht das nicht leichter.

Staat in der Zwickmühle

Den Finanzminister bringt das Geschäftsgebahren der Bank in eine schwierige Situation. Dass eine teilstaatliche Bank, die den Steuerzahlern ihr Überleben verdankt, im rechtlichen Graubereich Strategien zur kreativen Steuervermeidung anbietet, ist ein Skandal. Den aber kann der Finanzminister nicht brauchen. Laut Plan soll die Bank 2016 wieder privatisiert werden - möglichst mit Gewinn.


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