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"Ein brandheißes Eisen" Bayern droht der Hebammen-Mangel

80 Prozent der Geburten in Bayern laufen in Kliniken mit Hilfe von freiberuflichen Hebammen. Allerdings sind sie vom Aussterben bedroht. Grund sind Haftpflichtprämien, die zum 1. Juli wieder steigen.

Von: Johannes von Creytz

Stand: 30.06.2016

Schmerz ohne Worte - Säugling schreit | Bild: colourbox.com

"Hebamme ist auch ein Traumberuf. Man ist einfach ganz nah dran an den großen Gefühlen", sagt Hebamme Maria Jacobi. Wer ihr zuhört, kann sich kaum vorstellen, dass sich immer mehr Hebammen aus der Geburtshilfe zurückziehen. Die Freude am Beruf wird für freiberufliche Geburtshelferinnen aber immer mehr zum Zuschussgeschäft.

Die Hebammenverbände haben zwar mit den gesetzlichen Krankenkassen einen sogenannten Sicherstellungszuschlag ausgehandelt, der einen Großteil der steigenden Beiträge zur Berufs-Haftpflichtversicherung zurückerstatten soll. Ab morgen müssen Hebammen aber auf jeden Fall mehr bezahlen - und das bei drastischen Kürzungen in der Vergütung ihrer Leistungen, klagt Katharina Jeschke vom Deutschen Hebammenverband.

"Bei der Hausgeburtshilfe macht das 286 Euro aus. Die Geburt im Geburtshaus wird mit 166 Euro weniger vergütet. Das, was ohnehin schon unglaublich mangelhaft finanziert wurde, nämlich die Beleggeburt in der Klinik, ist um 49 Euro reduziert worden auf 271 Euro. Außerdem muss man dazu bedenken, dass so eine geburtshilfliche Leistung, die da vergütet wird, mindestens elf Stunden Arbeit beinhaltet."

Katharina Jeschke

Privatversicherte sind nicht unbedingt reich

Durchschnittlich zwischen 2.000 und 3.000 Euro verdient eine Hebamme im Monat. Die vorgeschriebene Haftpflichtprämie von satten 6.843 Euro pro Jahr muss mit diesem Einkommen im Voraus bezahlt werden. Mit einer Rückerstattung durch die Krankenkassen wollte der Gesetzgeber den Hebammen eigentlich wirtschaftliche Sicherheit geben. Das aufwendige Verfahren entpuppt sich für viele aber als Kostenfalle. Denn kommen die Kinder zum Beispiel zu früh zur Welt oder sind zu viele Mütter privat versichert, arbeiten freiberufliche Hebammen mit einem erheblichen Risiko: Sie könnten beim Sicherstellungszuschlag leer ausgehen.

Eine Hebamme bekommt den Sicherungszuschlag auch nicht, wenn sie für eine Geburt im Juli versichert war, die aber tatsächlich im Juni stattgefunden hat. Juli ist ein neues Quartal, also hat sie keinen Anspruch auf den Ausgleich über den Sicherstellungszuschlag.

Beispiel einer Mutter

Kein Wunder, dass von den 2.800 im bayrischen Hebammenverband gemeldeten Hebammen mittlerweile nur noch 2.400 aktiv sind. Viele davon arbeiten Teilzeit. Die meisten sind nur noch in der Geburtsvorbereitung oder Nachsorge aktiv. Selbst in Ballungsräumen mit noch halbwegs hoher Versorgungsdichte herrscht schon ein Mangel. Das hat Miriam, eine werdende Mutter aus München, erfahren. Ihr Frauenarzt meinte in der 15. Woche, sie sollte sich schon langsam um eine Hebamme kümmern. Es sei in München nicht so einfach. "Zuerst hab ich das nicht so ernst genommen, dann habe ich die ersten angeschrieben", so Miriam.

Von Dreien bekam sie gar keine Antwort, zwei sagten, dass sie für die Zeit um den errechneten Geburtstermin im Urlaub seien. Nur eine hat sich zurück gemeldet.

"Und die ist es jetzt auch geworden. Aber wenn jetzt der erste Eindruck nicht so gut gewesen wäre, dann hätte ich wohl Angst bekommen, wie ich auf die Schnelle noch eine Alternative finden kann."

Mutter Miriam

Alternativen bei der Hebammenwahl könnten schon bald als Luxus bezeichnet werden. Hebammen, so Katharina Jeske vom Deutschen Hebammenverband, haben meistens Abitur und seien gut ausgebildet. Gerade für Jüngere sei es verlockend mit einem Studium neu anzufangen. Aber auch Berufe in der Pflege würden für die gut ausgebildeten Frauen immer attraktiver. Bayerns Eltern würde so eine Entwicklung besonders hart treffen.

"80 Prozent der Geburten in Bayern laufen auch in Kliniken mit Hilfe von freiberuflichen Hebammen. Wenn die freiberuflichen Hebammen die Geburtshilfe einstellen, dann ist gerade in Bayern die Geburtshilfe tot. Für Bayern ist das ein echt brandheißes Eisen", sagt Katharina Jeschke vom Deutschen Hebammenverband.

Hintergrund:

Baby wird gewogen.

Der Beitrag für Hebammen zur Berufshaftpflicht hat sich seit den neunziger Jahren verzehnfacht. Nicht weil Hebammen mehr Geburtsfehler verursachen, sondern weil die Summen für den Schadenersatz drastisch angestiegen sind.

Dank medizinischem Fortschritt steigt auch die Lebenserwartung von Kindern, die einen schweren Geburtsschaden erleiden.

Mit dieser positiven Entwicklung, erhöhen sich aber auch die Kosten für lebenslange Gesundheitsversorgung, Forderung und Unterstützungsleistungen der Geschädigten.

Zum 1. Juli 2016 steigen deshalb wieder die Haftpflichtprämien für freiberuflich in der Geburtshilfe tätige Hebammen um neun Prozent von 6.274 auf 6.843 Euro pro Jahr.

Immer mehr Hebammen ziehen sich wegen der hohen Versicherungsprämien und der immer schlechteren Vergütung aus der Geburtshilfe zurück. Zwar hat die Politik festgelegt, dass die Gesetzlichen Krankenkassen mit dem Sicherungszuschlag einen Großteil der Haftpflichtprämie übernehmen, die Erhöhungen der Prämien werden aber nur zum Teil aufgefangen. Die langfristigen Perspektiven bei der Haftpflichtprämienentwicklung bedeuten für schwangere Frauen, dass sie immer länger nach einer Hebamme suchen müssen.


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Oliver S., Donnerstag, 30.Juni 2016, 10:59 Uhr

6. Haftung der Hebammen?

" ... Der Beitrag für Hebammen zur Berufshaftpflicht hat sich seit den neunziger Jahren verzehnfacht. Nicht weil Hebammen mehr Geburtsfehler verursachen, sondern weil die Summen für den Schadenersatz drastisch angestiegen sind ..."

Ist es nicht etwas schizophren, dass Hebammen offenbar für Geburtsschäden haften müssen, die sie selbst nicht einmal verursacht haben? M.E. sollten Hebammen nur dann haften müssen, wenn seitens der Hebamme schuldhaftes Verhalten vorliegt. Wobei es wohl schwierig sein dürfte, das nachzuweisen. Fakt ist, eine Geburt kann - für Mutter und Kind - etwas gesundheits- und lebensbedrohliches sein. Infolgedessen sollten die daraus resultierenden Kosten von den Krankenkassen getragen werden. Wie selbstverständlich werden daraus ja auch selbst verschuldete Schäden finanziert - z.B. die Folgen von Rauchen, übermäßigem Alkoholkonsum, falscher Ernährung, Risikosportarten, Leichtsinn, etc.

thorie, Donnerstag, 30.Juni 2016, 10:58 Uhr

5. hebammen

das hebammen-geheule erinnert mich an das gejammere der landwirte.
leistungen anbieten, die keiner bezahlen will, und dann solls die allgemeinheit machen.

  • Antwort von entbehrlich, Donnerstag, 30.Juni, 12:15 Uhr

    Ja, genauso wie sie zum Arzt gehen, wenn sie eine Säuferleber haben und die Allgemeinheit das dann zahlen soll.
    Ihre Argumentation entbehrt jeder Grundlage.

Hildegard, Donnerstag, 30.Juni 2016, 10:57 Uhr

4. Hebammenversicherung

Ja, mein Bruder wurde am 12.4.1956 durch die Nachlässigkeit einer Hebamme mit schwersten Schäden durch Sauerstoffmangel
geboren. Das hatte und hat schlimme Folgen bis heute. Meine Eltern bekamen nichts von der Vereicherung, nichts vom Staat!

Ich bin deshalb für eine gute Versicherung für Hebammen!

Nun zur Hebamme. Meine Mutter, 23 Jahre alt, schon ein Kind geboren, nämlich mich 1953, ich kam gesund auf die Welt.
Meine Mutter lag im Bett, die Hebamme strickte. Meine Mutter sagte: es geht jetzt los (sie wußte ja Bescheid, hatte schon einmal
ein Kind geboren, s.o.)
Die Hebamme antwortete: nein, das kann nicht sein und strickte weiter!
Als sie endlich handelte, war es zu spät!
Die Folgen ihrer Fahrlässigkeit betrafen die ganze Familie: meine Mutter mußte sich ihr Leben lang um ihr Sogenkind sorgen,
wurde dadurch sehr belastet und krank. Ich war 2 1/2 Jahre alt und recht lebhaft, mußte von nun an immer zurückstehen, mein
ganzes Leben. Das belastet mich bis heute.

thorie, Donnerstag, 30.Juni 2016, 10:54 Uhr

3. hebammen

hebammen-notstand???
jeder der eine hebamme will, sollte bezahlen, was es kostet, und sich net drauf verlassen, das die krankenkasse alles bezahlt.
wenn die hebammen aus (zukünftigen) elternsicht wichtig sind, sollte es kosten, was es kostet.
warum soll andere normal-krankenversicherte dafür aufkommen?

  • Antwort von Angela Friebel, Donnerstag, 30.Juni, 11:27 Uhr

    Und wie ist das bei Rauchern oder Motorradfahrern, bei Alkoholikern und Drogenabhängigen? Was ist mit Sportlern?
    Da ist es ok, daß die " normal-krankenversicherten" dafür aufkommen!?
    Kostet übrigends wesentlich mehr, als die Hebammenversorgung.

  • Antwort von Franz, Donnerstag, 30.Juni, 14:22 Uhr

    @Angela Friebel: Was sind für Sie 'normal-krankenversicherte'? Sportler zählen laut Ihrer Aussage nicht dazu. Das Gegenteil davon sind solche Menschen, die sich nur wenig oder gar nicht körperlich fit halten. Aber auch diese Menschen stellen eine Risikogruppe dar, denn die Todesursache Nr.1 ist noch immer Herz-und Kreislaufversagen. Dagegen kann man durch Sport vorbeugen. Wenn man nun die Nichtsportler ebenfalls zu den Risikofällen zählt, was bleibt dannn übrig?

  • Antwort von Oliver S., Donnerstag, 30.Juni, 14:31 Uhr

    " ... warum soll andere normal-krankenversicherte dafür aufkommen? ..."

    Schlichtweg, weil wir ein solidarisches Gesundheitssystem haben. Weitaus mehr daran stört mich, dass die Allgemeinheit für vermeidbare Schäden aufkommen muss - Rauchen, Alkohol, falsche Ernährung, Risikosportarten, etc. Evtl. sollten wir hier mal anfangen zu sparen, statt Hebammen immense Versicherungsbeiträge aufzuerlegen.

    Mit Ihren Äußerungen wäre ich sehr vorsichtig. Denn die Menschen, welche sich für Kinder entscheiden sorgen letztlich dafür, dass eines Tages jemand Ihre Rente bezahlt und dass jemand da ist, der Ihren Hintern auswischt, wenn Sie dazu eines Tages nicht mehr fähig sein sollten. Insofern sollten die Kosten für Hebammen nicht Eltern auferlegt werden, wie von Ihnen vorgeschlagen!

nachgefragt, Donnerstag, 30.Juni 2016, 09:02 Uhr

2. nachgefragt

... ich frage mich ehrlich gesagt, weshalb die Hebammen, wenn Sie wirklich so an ihrem Beruf hängen und nicht nur die Vor- und Nachsorge machen möchten (und das setze ich mal einfach voraus), sich nicht von den Kliniken anstellen lassen. Viele Kliniken suchen händeringend festangestellte Hebammen. Ok, dann droht Nacht- und Wochenenddienst, die Freiberuflichkeit mit allen Vor- und Nachteilen ist weg, aber dafür Jobgarantie und kein Haftpflichtprämienrisiko ... Warum ist das keine Option in der ganzen Berichterstattung?

  • Antwort von thorie, Donnerstag, 30.Juni, 11:02 Uhr

    wenn se sich anstellen lassen würden, wären sie zeitlich eingegrenzt!
    und! es gäbe feste sätze!

  • Antwort von Angela Friebel , Donnerstag, 30.Juni, 11:42 Uhr

    Die wenigsten Krankenhäuser wollen Hebammen anstellen, die meißten Krankenhäuser stellen eher auf ein so genanntes Belegsystem um und schicken die Hebammen in die Freiberuflichkeit um Kosten zu sparen. Bei angest. Hebammen trägt das KH die Lohn- und Lohnnebenkosten und die Haftpflichtversicherung, bei freiberuflichen Hebammen trägt allein die Hebamme die Kosten und das Risiko.
    In Zeiten, in denen Krankenhäuser schwarze Zahlen schreiben sollen, wird gespart was geht.
    Übrigends, auch angestellte Hebammen sollen sich zusätzlich privat absichern, was die Haftpflichtversicherung anbelangt. Im Falle eines Schadens haftet sie bei Unterversicherung mit ihrem Privatvermögen.
    Dazu kommt, daß der Stress in den Kreißsälen enorm ansteigt und viele Hebammen deshalb aus der Geburtshilfe aussteigen.
    Aber egal ob angestellt oder freiberuflich, ob mit Geburtshilfe oder ohne...
    Hebammen arbeiten Tag und Nacht, am Wochenende und an Feiertagen!

  • Antwort von überfragt, Donnerstag, 30.Juni, 12:18 Uhr

    @ nachgefragt @ thorie: Keine Ahnung von der Materie.