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Hunderte Radikalisierungsversuche Flüchtlingsfang in Fußgängerzonen

Radikale Islamisten suchen unter Flüchtlingen seit langem neue Mitstreiter - und das beunruhigt auch den Verfassungsschutz: Behördenchef Maaßen spricht nun von 340 bekannten Anwerbeversuchen und einer noch viel höheren Dunkelziffer. Hinzukommt: Auch nach den Anschlägen von Würzburg und Ansbach fällt die Überwachung der Salafisten schwer.

Von: Joseph Röhmel

Stand: 14.08.2016 | Archiv

Koran-Verteilung in Frankfurt am Main (im Jahr 2015) | Bild: picture-alliance/dpa

Samstag unterm Karlstor in der Fußgängerzone in München: Drei junge Männer Anfang 20 verteilen Korane. Einer von ihnen trägt einen Dreitagebart. Er spricht nur englisch. Er lächelt freundlich. Der Mann erzählt, dass er aus Ägypten komme und seit vier Monaten für eine Firma bei München arbeite. In seiner Freizeit engagiert er sich als Koranverteiler für "Lies!" – eine umstrittene Aktion. Denn einige, die als Koranverteiler begonnen haben, kämpfen inzwischen für eine Terrormiliz in Syrien.

Archivbild: Salafisten in München unterm Karlstor

"Ich habe einen Freund in Ägypten gefragt, was ich hier in Deutschland für meinen Glauben tun kann. Er hat mir den Kontakt zu 'Lies!' vermittelt", sagt der junge Mann. Er ist kein Flüchtling. Und doch findet er ganz offensichtlich bei den Salafisten eine Art religiöse Wärme in einem fremden Land. Auf der Suche nach Wärme und nach Halt sind auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Ohne fertiges Weltbild und fertiges Religionsverständnis gelten sie als die idealen Opfer von Anwerbeversuchen der Salafisten.

Die große Sorge

Der Verfassungsschutz beobachtet mit Sorge die Versuche radikaler Islamisten, unter Flüchtlingen neue Mitstreiter anzuwerben. "Es gibt bislang mehr als 340 Fälle, die uns bekannt geworden sind", sagt der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen:

"Aber das sind nur die, von denen wir erfahren haben. Vermutlich gibt es mehr Fälle. Es bereitet uns Sorge, wenn Salafisten und andere Islamisten Werbung in den Asylunterkünften machen."

   

Derartige Anwerbeversuche in Bayern wurden in den letzten Monaten etwa aus Augsburg, Aschaffenburg, Friedberg, München, Kelheim und Schwandorf gemeldet. Zwischen September 2015 und Juli 2016 seien rund 100 Hinweise auf mutmaßliche Kontaktaufnahmen von Islamisten zu Flüchtlingen in Bayern eingegangen, teilt der bayerische Verfassungsschutz mit. Rund jeder dritte hatte der Behörde zufolge einen salafistischen Hintergrund.  

Aber lassen sich die Flüchtlinge davon verführen? Salafisten locken mit der Aussicht auf Freundschaft, mit Koranen und Süßigkeiten. Salafisten sind ständig bestrebt, die Zahl ihrer Anhänger zu vergrößern. Menschen auf der Suche nach Halt und Orientierung wirken wie leichte Opfer.  

Freitags in die konservative Moschee

Erst kürzlich hat der Verfassungsschutz im Freistaat auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks mitgeteilt, dass es einzelne Hinweise darauf gibt, dass sich Flüchtlinge in der in Bayern bekannten salafistischen Szene bewegen. Bewusst oder unbewusst könnten Flüchtlinge in die Fänge der Salafisten geraten. Die Gefahr sieht auch Verfassungsschutzchef Maaßen.

"Bekanntermaßen sind unter den Asylsuchenden sehr viele junge Männer mit sunnitischer Konfession. Die kommen oft aus konservativen islamischen Milieus und wollen freitags in eine arabischsprachige Moschee gehen."

Hans-Georg-Maaßen

Unter den arabischsprachigen Moscheen gebe es zahlreiche islamistische, salafistische Moscheen in Deutschland.

"Sie bilden ein Vorfeld der Radikalisierung. Das ist gefährlich. Deshalb haben wir eine Vielzahl unter Beobachtung genommen", sagt Maaßen. Die Überwachung bereite aber Probleme, gibt Maaßen zu: "In Deutschland ist es so, dass die arabischsprachige Moscheenlandschaft nicht organisiert ist. Von staatlicher Seite besteht da relativ wenig Einflussmöglichkeit."

Einzeltäter und die Terrormiliz IS

Maaßen sagt, der Verfassungsschutz habe Betreiber von Flüchtlingsheimen bereits für das Problem sensibilisiert und ihnen Informationen dazu an die Hand gegeben. In Bayern ist es etwa eine Broschüre. Hier gibt es Hinweise, welche Anzeichen es für eine Radikalisierung gibt. Hätten solche Tipps auch mit Blick auf die jüngsten Anschläge in Ansbach und Würzburg geholfen? Immerhin waren es Flüchtlinge, die die Anschläge verübten. Schwer zu sagen.

Letztlich sind die Sicherheitsbehörden auch auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Und, so fügt Hans-Georg Maaßen hinzu, es habe auch schon vor Ansbach und Würzburg islamistisch motivierte Attacken in Deutschland gegeben - auf einen Bundespolizisten in Hannover und einen Sikh-Tempel in Essen.

"Die Lehre daraus ist: Wir dürfen uns nicht nur konzentrieren auf den IS, der möglicherweise Terrorkommandos nach Europa schickt, wie in Paris oder Brüssel. Sondern es können auch Einzeltäter sein, die sich selbst radikalisieren oder Aufträge erhalten."

Hans-Georg Maaßen

Allerdings sei es deutlich schwieriger, solche Einzelpersonen aufzuspüren. "Da brauchen wir die Gesellschaft, die auf Veränderungen achtet, wenn Personen auffallen - zum Beispiel wenn sie auf ihrem Smartphone als Bildschirmhintergrund eine IS-Fahne haben."

Eine Schwierigkeit liege auch darin, die Kommunikation von Islamisten zu überwachen. "Das grundlegende Problem ist: Wir wissen nicht, wer miteinander chattet", so der Verfassungsschutz-Präsident. Es gebe hohe rechtliche Hürden dafür, eine Kommunikation in Echtzeit mitzulesen oder mitzuhören.


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Kommentieren

Wanda, Dienstag, 16.August 2016, 00:06 Uhr

31. alles andersrum

Vorsicht Leute, in unserem Deutschland ist alles auf den Kopf gestellt: nicht auszuschliessen, dass jeder der hier islamkritisch kommentiert, wegen Verhetzung dran kommt. Zumindest wenn es nach einigen Mit-Bloggern ginge....

Erich, Montag, 15.August 2016, 17:03 Uhr

30. Hauptsache die Afd,

wird bekämpft, die solche Zustände anprangern.

  • Antwort von Wolf, Montag, 15.August, 18:15 Uhr

    Ist in meinen augen auch genau so gefährlich und antidemokratisch!

  • Antwort von Erich, Montag, 15.August, 19:34 Uhr

    @wolferl,

    manchmal hilft auch eine Brille.....oder noch besser, Fakten.

Kommunaler, Montag, 15.August 2016, 14:24 Uhr

29. Was sagen denn die lokalen Ordnungsämter dazu?

Diese Werbung oder Demonstration stellt doch eine Sondernutzung der Strassen und Wege dar, die nach dem Bay. Strassen- und Wegegesetz erlaubnispflichtig sind.
Es müsste doch auch dort Ansätze geben, Werbung für extremistische Gruppierungen ganz generell zu untersagen.

Gibt es von den Kommunalbehörden keine Idee?

Cosi, Montag, 15.August 2016, 13:41 Uhr

28. Religiöse Wärme ???

Wenn ich schon lese "Religiöse Wärme" bei Salafisten, dann denke ich nur an Bombenwärme .

Alle Moscheen dazu verpflichten deutsch zu sprechen. Alle Imame die von außerhalb des Landes bezahlt werden ausweisen.
Salafisten sind keine Religion sie sind eine Organisation von Verbrechern und wollen die ganze Welt dominieren und ihren Islam dominieren.
Es gibt reichlich Information über deren Unwesen. Sie werden vor allem von Saudi Arabien gesponsert.
Siehe auch ...Stichwort Religionspolizei !

Geschichte der Salafisten : Die Religionsgelehrten galten einerseits als Regierungsmarionetten und andererseits als erstarrte Traditionalisten, die fraglos Gedankengebäude theologischer Schulen übernahmen, ohne sich selbständig um ein Verständnis des Islam zu bemühen.
Das sagt doch alles und nichts.

Raymond, Montag, 15.August 2016, 11:11 Uhr

27. keine Kontrolle

offenbar koennen diese Interessengruppen , hier machen was sie wollen , das ist nichts neues .....sind ja verfolgte , gepeinigte ...denen
geholfen werden muss , wir bzw. die Verantowrtlichen , duerfen oder wollen nichts unternehmen ....wie lange soll das so weitergehen ...