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Flucht und Recht (6) Arbeitsmarkt

Sie sind motiviert und qualifiziert. Doch einfach ist es in Deutschland für einen Flüchtling nicht, den Weg in den Arbeitsmarkt zu finden. Dabei ist die Bürokratie nur ein Hindernis. Ein anderes: Die mangelnden Deutschkenntnisse.

Von: Wolfram Weltzer

Stand: 05.09.2015 | Archiv

Illustration: Flüchtlinge vor Kartenausschnitt, Symbol: EU-Sterne | Bild: BR

"Ich heiße Shaza und komme aus Syrien, aus Damaskus. Ich bin Soziologin und habe ein abgeschlossenes Diplom in Politikwissenschaft. Und ich habe acht Jahre für die Vereinten Nationen gearbeitet. Ich habe alle Papiere. Aber ich brauche jemanden, der mir den Weg zeigt, dann fange ich an."

Shaza, Flüchtling aus Syrien

Motiviert, qualifiziert, arbeitswillig. Shaza entspricht dem Idealbild deutscher Arbeitgeber. Doch bevor die junge Frau tatsächlich einen Job bekommt, muss sie viele Hürden nehmen. Die erste hat sie schon genommen: Sie ist seit Mai, also seit mehr als drei Monaten in Deutschland. Das ist die Frist, nach der Asylbewerber grundsätzlich arbeiten dürfen. Auch die Vorrangprüfung, bei der die Arbeitsagenturen klären, ob Shaza einem deutschen Arbeitslosen den Job wegnehmen würde, wäre vermutlich kein Problem – denn die Mischung aus sozialen und wissenschaftlichen Fähigkeiten mit den Sprachen Englisch und Arabisch dürften in Deutschland wenige mitbringen. Gleichwohl würde die Arbeitsagentur die Prüfung durchführen – für Asylbewerber, die noch nicht 15 Monate in Deutschland leben, ist sie vorgeschrieben. Das Hauptproblem ist für sie und die meisten ihrer Mitbewohner in der Gemeinschaftsunterkunft ein anderes:

Ohne Deutsch geht gar nichts

Ohne Sprachkenntnisse geht nichts am Deutschen Arbeitsmarkt – selbst in typischen Mangelberufen wie Altenpflege oder Ingenieurswesen. Aber nicht nur deshalb berichten die Arbeitsagenturen bisher von eher vereinzelten Kontakten mit Asylbewerbern.

"Wir haben im Moment noch wenig Erfahrung mit Menschen mit Fluchthintergund. Denn die Menschen sind ja oft nicht sehr lange da und sind noch mit akuten Lebensthemen befasst. Genügend Essen, gute Kleidung, eine Unterkunft. Und in zweiter Linie steht dann die Frage – und das wird 2016 verstärkt kommen: Wie können wir hier unseren Lebensunterhalt verdienen, können wir arbeiten?"

Gisela Scherer, Geschäftsführerin Arbeitsagentur Nürnberg

Eine Viertelmillion mit Aussicht auf einen Job

Wie viele werden es dann sein? Das ist die spannende Frage. Die Arbeitsagenturen arbeiten mit einer Faustregel, derzufolge etwa ein Drittel der 800.000 für diese Jahr erwarteten Flüchtlinge eine Bleiberechtsperspektive und den Willen zu arbeiten haben. Das wären dann eine gute Viertelmillion. heruntergerechnet auf Stadt und Landkreis Nürnberg immer noch über 2.000 Menschen.

Was das für den Arbeitsmarkt bedeutet, ist schwer vorherzusagen. Selbst die aktuelle Zahl der arbeitslos gemeldeten Asylbewerber, etwa 160.000 bundesweit, ist lediglich eine Hochrechnung.

"Die Asylbewerber sind keine homogene Gruppe. Wir haben auf der einen Seite gut qualifizierte Asylbewerber, die sicher sehr schnell eine Stelle finden könnten; wir haben auf der anderen Seite, das wissen wir, auch ganz viele gering Qualifizierte – ohne Berufsabschluss, ohne Schulabschluss. Da muss man ganz viel investieren, um die tatsächlich auszubilden. Deswegen ist eine schnelle Integration der Geringqualifizierten nicht zu erwarten."

Ilona Mirtschin, Sprecherin Bundesagentur für Arbeit

20 Prozent Akademiker

Repräsentative Daten über die Qualifikation gibt es nicht. Eine zwei Jahre alte Stichprobe des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung kommt auf etwa 60 Prozent ohne abgeschlossene Ausbildung, knapp 20 Prozent mit einem akademischen Abschluss. Damals war allerdings die Zahl der gut ausgebildeten Flüchtlinge aus dem Nahen Osten noch nicht so hoch wie heute. Weitgehend einig sind sich Bundesagentur, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften aber, dass auch eine größere Zahl von Flüchtlingen kein Problem darstellt.

"Ich glaube nicht, denn eine Konkurrenz entsteht zwischen Langzeitarbeitslosen und Flüchtlingen - nicht bei dieser guten Konjunkturlage."

Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit

Langfristig könne die Arbeitslosenquote wegen der Zuwanderung von Flüchtlingen lediglich um 0,1 Prozentpunkte steigen, hatte sein Haus vor einigen Monaten errechnet.

Engässe bei Geld und Personal

Größere Sorgen macht sich die Bundesagentur über die Finanzen. Die Arbeitsagenturen seien zwar ausreichend ausgestattet. Doch sind sie nur so lange zuständig, bis ein Asylverfahren entschieden ist. Sobald ein Asylbewerber aber anerkannt, geduldet oder vor Abschiebung geschützt ist, muss sich das jeweilige Jobcenter um ihn kümmern. Und diese ohnehin oft überlasteten Hartz-IV-Behörden haben schon jetzt zu wenig Personal, sodass Bundesarbeitsministerin Nahles nun zusätzlichen Finanzbedarf von mehreren Milliarden Euro für den Haushalt 2016 angemeldet hat.

Sollte die junge syrische Soziologin Shaza dann noch im Land sein – wer weiß, vielleicht könnte sie dann als Spezialistin sogar im Jobcenter arbeiten:

"Dann, wenn ich die deutsche Sprache beherrsche, kann ich mit Flüchtlingen arbeiten, weil ich Arabisch kann und sehr gut Englisch, sie unterstützen oder als Übersetzerin arbeiten."

Shaza aus Syrien


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