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BR-Interview Erdogan: "EU hat ihr Wort gebrochen"

In einem Exklusiv-Interview mit dem BR hat der türkische Präsident Erdogan die EU scharf kritisiert. Aus seiner Sicht hat sie Vereinbarungen in der Flüchtlingspolitik nicht eingehalten. Weitere Themen: Der Putschversuch, der Ausnahmezustand und die Wiedereinführung der Todesstrafe.

Von: Petra Zimmermann

Stand: 25.07.2016

Recep Tayyip Erdogan | Bild: Bayerischer Rundfunk

Der umstrittene türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat dem Bayerischen Rundfunk ein Exklusiv-Interview gegeben. Im Gespräch mit dem Chefredakteur des Bayerischen Fernsehens, Sigmund Gottlieb, äußerte sich Erdogan unter anderem zum derzeit geltenden Ausnahmezustand. Dieser sei für drei Monate vorgesehen. Seine Antwort auf die Frage, ob er eine mögliche Verlängerung um drei Monate anstrebe:

"Wir müssen sehen. Wenn es eine Normalisierung gibt und wenn wir das erfahren, dann brauchen wir keine zweiten drei Monate."

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei

"Das Volk will die Todesstrafe"

Auf die Frage, ob er ernsthaft daran denke, die Todesstrafe wieder einzuführen - denn dabei müsse er ja einkalkulieren, dass dies die Freunde in der Welt reduzieren und die Europäer vertreiben würde, bezog sich Erdogan auf andere Länder - und den Willen seines Volkes:

"Momentan stehen wir seit 53 Jahren vor der Tür der EU. Wir haben natürlich die Todesstrafe aufgehoben – aber was hat sich geändert? Und wenn wir in einem demokratischen Rechtsstaat uns befinden, wer hat das Sagen in solchen Ländern? Das Volk, nicht? Und das Volk, was sagt es heute? Sie wollen, dass die Todesstrafe wieder eingeführt wird. Und wir als Regierende müssen natürlich auf das, was das Volk sagt, hören. Wir können jetzt nicht sagen, nein, das interessiert uns nicht."

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei

Denn, so Erdogan, die Todesstrafe gebe es überall in der Welt:

"Manche Tatsachen sollte man erkennen. Wir sollten nicht losgelöst von den Realitäten in der Welt leben – in wie vielen Ländern in der Welt gibt es die Todesstrafe, in wie vielen nicht. Das sollten wir erst einmal sehen. Nur in Europa, in den Mitgliedsstaaten gibt es keine Todesstrafe – ansonsten gibt es fast überall in der Welt die Todesstrafe. Hier sollte man eine Tatsache sehen."

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei

Angriff auf die EU in der Flüchtlingsfrage

Befragt, ob die Türkei denn nach wie vor ein verlässlicher Partner beim Flüchtlingsabkommen sei, oder ob Situationen denkbar seien, in denen Erdogan sich das noch einmal überlegen müsse, antwortete er:

"Eines möchte ich ganz offen klar sagen: Beim Flüchtlingsthema stehen wir hinter unserem Versprechen. Das Versprechen, das wir bisher gegeben haben, gilt. Aber die Frage an die Europäer: Habt ihr euer Versprechen gehalten? Denn diese Zahlen liegen auf der Hand. Sie hätten bis jetzt schon diese Leistungen erbringen müssen, aber nicht gemacht. Fragen sie sie doch mal, ob sie das Geld schon gezahlt haben."

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei

Erdogan zu den Festnahmen

Zu den Verhaftungen nach dem missglückten Putschversuch - entlassene Staatsanwälte und Lehrer, aus dem Amt entfernte Professoren - entgegnete Erdogan, nichts sei außerhalb der Rechtsstaatlichkeit erfolgt.

"All das, was gemacht worden ist, bisher, ist im Rahmen der Rechsstaatlichkeit, der Justiz gemacht worden. Nichts ist außerhalb der Rechtsstaatlichkeit, der Justiz erfolgt. Und der Putschversuch, der Umsturzversuch, das sind Schritte, die natürlich illegal sind."

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei

Drei Monate Ausnahmezustand

In der Türkei gilt nach dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli für zunächst drei Monate ein Ausnahmezustand, der Regierung und Behörden erweiterte Vollmachten an die Hand gibt. Seit dem Putschversuch sind nach offiziellen Angaben mehr als 13.000 Verdächtige festgenommen worden, knapp 6.000 davon sitzen in Untersuchungshaft. Mehr als 45.000 Staatsbedienstete wurden suspendiert. Außerdem wurden 21.000 Lehrern an Privatschulen die Lizenz entzogen und Haftbefehle gegen 42 Journalisten erlassen. Die Maßnahmen haben international scharfe Kritik ausgelöst.


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