Eins ums andere Mal verzögert sich der Beginn der Verteidiger-Plädoyers. Schuld daran sind die Verteidiger selbst. Einige Angeklagte verzögern den Prozess seit Wochen durch Beweisanträge, die sie ein Jahr nach Ende der Beweisaufnahme (und damit viel zu spät) stellen und durch Befangenheitsanträge.
Geduldsprobe
Im NSU-Prozess ist zur Zeit Geduld gefragt. Das Verfahren befindet sich wieder einmal in einer Phase, in der eine zähe Kraftprobe zwischen dem Gericht und einzelnen Angeklagten ausgefochten wird. Der 6. Staatsschutzsenat lehnte zuletzt Beweisanträge des mutmaßlichen NSU-Waffenlieferanten Ralf Wohlleben ab. Er wolle das Verfahren verschleppen, so der Vorwurf.
Daraufhin stellte der Ex-NPD-Funktionär Wohlleben einen Befangenheitsantrag gegen den gesamten Senat. Außerhalb der Hauptverhandlung folgten offenbar noch zwei weitere Ablehnungsgesuche. Zwei Prozesstage mussten deshalb abgesagt werden.
Befangenheitsanträge blockieren NSU-Prozess
"Befangenheitsanträge kann ein Angeklagter, eine Angeklagte bis zu ihrem letzten Wort stellen, danach ist das Stellen von einem Befangenheitsantrag von Gesetzes wegen nicht mehr zulässig." Gerichtssprecher Florian Gliwitzky
Schon mehrmals hatten Befangenheitsanträge den NSU-Prozess über Wochen blockiert. So hatte der Angeklagte André E. im vergangenen Herbst rund zwanzig Befangenheitsanträge in Folge gestellt. Der Anlass: die Bundesanwaltschaft hatte überraschend zwölf Jahre Haft für den mutmaßlichen NSU-Unterstützer gefordert, woraufhin der Strafsenat den bekennenden Neonazi noch im Gerichtssaal in U-Haft nahm.
André E. scheiterte zwar mit all seinen Befangenheitsanträgen. Doch die Nebenkläger, also die Opfer und ihre Anwälte, konnten erst nach langer Verzögerung mit ihren Plädoyers beginnen. Sie fordern auch jetzt, dass das Gericht schneller über Befangenheitsanträge entscheidet. Doch das Gesetz sehe ein klares Procedere vor, erklärt Gerichtssprecher Florian Gliwitzky. Die abgelehnten Richter müssen dienstliche Stellungnahmen abgeben, dann erhalten die Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör. Erst dann wird entschieden.
"Dieses Procedere nimmt Zeit in Anspruch und wieviel Zeit erforderlich ist, hängt sehr stark von der Begründungstiefe des Befangenheitsantrags ab, wie ausführlich Befangenheitsgründe vorgebracht werden, und dementsprechend auch hängt es von dem Umfang der dienstlichen Stellungnahmen ab. Das heißt, es kann im Einzelnen ein Befangenheitsantrag auch sehr schnell verbeschieden werden, es kann aber auch Situationen geben, dass das Procedere eine etwas längere Frist erfordert - bis dann schließlich die Entscheidung getroffen werden kann." Gerichtssprecher Florian Gliwitzky
Hoffnung auf Beginn der Plädoyers
Die Verteidiger von Beate Zschäpe hoffen nun, dass sie trotz aller Befangenheitsanträge heute mit ihren Plädoyers beginnen können. Das bestätigte Zschäpes Anwalt Hermann Borchert dem Bayersichen Rundfunk. Borchert und sein Kollege Matthias Grasel sollen als Erste plädieren. Doch ob es heute wirklich dazu kommt, ist fraglich.
Denn der Angeklagte André E. will kurz vor Schluss einen zusätzlichen Pflichtverteidiger. Er beantragte, dass ihm der Düsseldorfer Anwalt Björn Clemens beigeordnet wird. Nebenkläger werten das als klares politisches Statement des Angeklagten André E., dessen bisherige Verteidiger - anders als der ehemalige Republikaner-Vorstand Clemens - nicht als Szeneanwälte gelten. Nebenkläger befürchten nun, dass der Prozess, der eigentlich kurz vor der Urteilsverkündung steht, sich weiter verzögert.