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Zahntechnik

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Zahnersatz: Warum viele Zahnärzte nur Luxus anbieten

Mehr als drei Milliarden Euro pro Jahr zahlen Patienten in Deutschland für Zahnersatz. Viele Zahnärzte bieten ihren Patienten teure Implantate an. Für die Mediziner ein einträgliches Geschäft, für die Patienten ein Risiko. Von Nikolaus Nützel

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die aktuellsten Zahlen zum Thema Zahnersatz stammen aus dem Jahr 2014 und sie zeigen eine eindeutige Tendenz: Laut Statistischem Bundesamt bezahlen Patienten in Deutschland jährlich mehr als drei Milliarden Euro für Zahnersatz. Dazu passt eine Zahl aus dem Barmer Zahnreport, wonach in Bayern weniger als zehn Prozent des Zahnersatzes im Rahmen der Regelversorgung angefertigt werden. Das bedeutet, Zahnersatz wird fast immer als private Zusatzleistung abgerechnet.

"Also ich finde es fatal, dass im Bereich von Zahnersatz ein so hoher Anteil selbst gezahlt werden muss. Und da ist eine Fehlentwicklung in unserem sonst sehr guten Gesundheitssystem." Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbandes VdK

Krankenkassen: Standard statt Luxusbehandlung

Tatsächlich wird Zahnersatz von den gesetzlichen Krankenkassen nur bezuschusst. Wie hoch der Anteil ausfällt, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Von der regelmäßigen Zahnvorsorge, die Bedürftigkeit der Patienten spielt eine Rolle, aber auch die Wirtschaftlichkeit der Behandlung. Wenn ein Zahn verloren gegangen ist oder mehrere Zähne fehlen, dann sind auch Brücken oder Vollprothesen eine gute Lösung, so war und ist die Überzeugung der Politiker, die in den vergangenen Jahrzehnten für die Gesundheitsversorgung zuständig waren - egal, ob das Bundesgesundheitsministerium von der SPD, den Grünen, der FDP, der CSU oder CDU geleitet wurde. Dass sich die Krankenkassen beim Thema Zahnersatz finanziell zurückhalten, erklärt die hohen Kosten für die Patienten aber nur zum Teil. 

"Das liegt nicht am Sozialversicherungssystem, sondern daran, dass die Zahnärzte ihren Patienten fast nur noch Implantatversorgungen empfehlen, ohne ihnen irgendeine Alternative anzubieten, die es natürlich gibt, die technisch so gemacht werden kann, dass die volle Kaufunktion wiederhergestellt und eine kosmetisch gute Lösung erreicht werden kann." Ein Zahnarz in einer Email an den Bayerischen Rundfunk 

Der Absender ärgert sich darüber, dass seine Kollegen ihren Patienten statt einfacher Brücken und Kronen vor allem Luxus anbieten. Denn dazu zählt die Versorgung mit Implantaten.

Das Geschäft mit teuren Implantaten

Stifte aus dem Metall Titan fungieren dabei als künstliche Wurzeln, auf die der Zahnersatz montiert werden kann. Die auf Preisvergleiche spezialisierte Firma Medikompass gibt rund zweieinhalbtausend Euro als Durchschnittskosten für ein Implantat samt dem darauf sitzenden Zahnersatz an. Und nach Schätzungen werden in Deutschland jedes Jahr rund 1,2 Millionen der Metall-Stifte verkauft.

Carola Sraier von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen berät im Münchner Gesundheitsladen regelmäßig Patienten, die Probleme mit Zahnersatz und Implantaten haben. Auch sie sagt, manche Zahnärzte würden ihren Patienten Implantate geradezu aufdrängen. Und das habe vor allem wirtschaftliche Gründe.

"Es ist schon so, dass der Zahnarzt, wenn er privatärztlich abrechnet, mehr verdienen kann, als wenn er eine reine Regelversorgung über die Kasse für den Patienten anfertigt." Carola Sraier, Gesundheitsladen München

Die Schweizer Straumann Gruppe, die als der dominierende Lieferant von Zahnimplantaten gilt, hat ihren Aktienkurs seit Ende 2012 um mehr als das Sechsfache gesteigert. Die amerikanische Wirtschaftszeitschrift Forbes schätzt das Vermögen des Firmengründers Thomas Straumann auf rund 2,3 Milliarden Dollar.

Selbst der Implantologe Christian Berger, der den Bundesverband der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa leitet und Präsident der Landeszahnärztekammer ist, räumt Fehlentwicklungen ein. Er warnt, Implantate seien nicht für jeden Patienten die beste Lösung.

Risiken für Patienten durch Implantate

Der Münchner Zahnarzt Eberhard Riedel glaubt zudem, dass Implantate positiver dargestellt werden als sie sind.

"Ein Implantat braucht wesentlich mehr Pflege als der eigene Zahn. Weil das Gewebe um das Implantat nicht so widerstandsfähig ist, um Entzündungen abzuwehren, wenn dort Bakterien in den Taschen um das Implantat herum vorhanden sind. Das Implantat ist ein Fremdkörper und deswegen störanfällig." Eberhard Riedel, Implantat-kritischer Zahnarzt

Helmut Nietsch von der AOK Bayern warnt vor allem Kassenpatienten vor einem weiteren Irrtum. Wer gesetzlich krankenversichert ist, kann zwar in vielen Fällen seine Kasse um Hilfe bitten, wenn es Probleme mit einer Behandlung gibt. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen kann Gutachten erstellen, die jeweilige Kasse kann helfen, etwa wenn es um Schadenersatz geht. Bei Implantaten allerdings ist die Kasse außen vor. Denn sie sind ja eine reine Privatleistung, die der Patient mit dem Zahnarzt vereinbart.